10 verrückte Vogelporträts von Fotograf Tim Flach

Der Engländer Tim Flach studierte am Central Saint Martins College of Art & Design in London, wo er auch lebt. Zwei seiner Aufnahmen dienten bereits als Motiv für Briefmarken der Royal Mail. Seit 2013 ist Flach Honorary Fellow der Royal Photographic Society und Ehrendoktor der Norwich University of the Arts.
Seit Kindheitstagen hat der Fotograf das Gekreische von Lachmöwen im Ohr – als Erinnerung an seine Heimat Cornwall. Das Projekt „Vögel“, wie sein aktuelles (und viertes) Buch schlicht heißt, war ihm deshalb eine Herzensangelegenheit: das Erforschen der Schönheit und der Wunderlichkeit der Tiere durch Porträts und stilllebenartige Abstraktionen, schlicht und klar, damit man sich an den Details sattsehen kann. Und es geht ihm um das Erzählen von Geschichten, sind Vögel für ihn doch aufgeladen mit Emotionen und Bedeutungen.
1) Rotkardinal
Wissenschaftlicher Name: Cardinalis cardinalis
Verbreitungsgebiet: östliche USA bis Guatemala

Nördliche Rotkardinäle sind ambitionierte Sänger; einige Exemplare beherrschen mehr als ein Dutzend Gesangsvariationen. Gerne konzertieren die Tiere im Duett, was ihnen den Spitznamen Virginia-Nachtigall eingetragen hat. Früher als Heimtier beliebt, sind sie in den USA und Kanada inzwischen streng geschützt und die offiziellen Staatsvögel in sieben US-Bundesstaaten.
Der stets leicht gereizt wirkende Blick der Rotkardinäle erklärt auch, warum sie eine Hauptrolle spielen in den Computerspielen und Animationsfilmen namens Angry Birds.
2) Feuerhornvogel
Wissenschaftlicher Name: Buceros hydrocoras
Verbreitungsgebiet: Philippinen

Der prächtige Schnabel samt Aufsatz, den Männchen wie Weibchen besitzen, ist eine optische Täuschung. Er besteht aus schwammartigem Knochen- und Horngewebe und somit hauptsächlich aus Luft.
Über seinen Nutzen rätseln Ornithologen: Ist er ein Resonanzkörper, oder funktioniert er – ähnlich wie beim Tukan – als eine Art Klimaanlage?
Interessant die Nachwuchspflege: Das Weibchen verbringt dafür bis zu drei Monate eingemauert in einer Baumhöhle.
3) Emu
Wissenschaftlicher Name: Dromaius novaehollandiae
Verbreitungsgebiet: Australien

Die Zeiten, in denen die Vorfahren der Emus den Himmel beherrschten, sind seit Jahrmillionen vorbei: Die Flügel der modernen Emus sind bloß noch Stummel. Originellerweise ist der Emu (der mit dem ähnlichen Afrikanischen Strauß nicht verwandt ist) ein Zugvogel: Im kräftesparenden Trott wandert er in Gruppen von bis zu tausend Tieren in Richtung neuer Weidegründe.
Wenn es einmal schnell gehen muss, laufen die Tiere aber auch bis zu 50 Kilometer pro Stunde.
4) Trauerschwan
Wissenschaftlicher Name: Cygnus atratus
Verbreitungsgebiet: Australien

Der Trauerschwan setzt auf drei Farben, die dritte zeigt er nur, wenn er die Flügel ausbreitet – dann werden die weißen Schwungfedern sichtbar.
Besonders auch seine Anatomie: Der Trauerschwan hat 31 Halswirbel, das macht seinen Hals besonders beweglich. Damit kommt er beim Grundeln – also bei der Nahrungssuche unter Wasser – in jede noch so unzugängliche Ecke.
5) Feuerrückenspecht
Wissenschaftlicher Name: Dinopium javanense
Verbreitungsgebiet: Süd- und Südostasien

Wenn sich jemand mit der neuen Zeit gut arrangiert hat, dann er: Der Feuerrückenspecht lebt sowohl in unberührten Wäldern als auch auf Golfplätzen. Seine Nahrung klopft er nicht aus dem Holz – er sondiert vielmehr Stamm und Rinde und pickt dann Ameisen, Insektenlarven und andere Insekten auf.
Für Ornithologen ist der kleine Bursche gut verfolgbar: zum einen, weil er immer hektisch wirkt, wenn er von Baum zu Baum turnt; zum anderen auch, weil Männchen und Weibchen im Flug ständig lautstark kommunizieren.
6) Sattelstorch
Wissenschaftlicher Name: Ephippiorhynchus senegalensis
Verbreitungsgebiet: Afrika

Mit seiner imposanten Körpergröße von 1,5 Metern und einer Flügelspannweite von 2,5 Metern ist der Sattelstorch einer der größten flugfähigen Vögel der Welt – wiegt dabei aber lediglich 6 Kilogramm. Im Gegensatz zum bei uns bekannten Weißstorch ist der Sattelstorch kein Zugvogel. Er lebt ganzjährig in Afrika und trifft dort seinen deutlich kleineren Verwandten höchstens im Winter.
7) Rosalöffler
Wissenschaftlicher Name: Platalea ajaja
Verbreitungsgebiet: USA (Süd), Karibik, Südamerika

Was für ein Glück: Der hübsche Sumpf- und Wattbewohner hat die schlimmsten Jahre hinter sich. Nämlich diejenigen, als er wegen seiner Federn gejagt und fast ausgerottet wurde.
In der Modewelt galten die Federn vor knapp 100 Jahren als unverzichtbares Accessoire und wurden gleichsam in Gold aufgewogen. Heute müssen sich die Vögel etwa in Floridas Everglades nur noch vor Alligatoren und Raubkatzen vorsehen, wenn sie auf der Nahrungssuche durch das seichte Brackwasser stelzen.
8) Inkaseeschwalbe
Wissenschaftlicher Name: Larosterna inca
Verbreitungsgebiet: Pazifikküste Südamerikas

„Das ist der Salvador DalÍ der Vogelwelt!“, ist Tim Flach überzeugt. Der „Schnurrbart“ dieses geschickten Raubvogels besteht aus rund fünf Zentimeter langen Federbüscheln, wobei gilt: je länger, desto besser.
Ein markanter Schnurrbart steht nämlich für ein gut funktionierendes Immunsystem und – wir haben es geahnt – wird zur Balzzeit von den Weibchen (die diesen Schmuck ebenfalls besitzen) als Plus gesehen.
Apropos: Im Hochzeitsflug vollführt das werdende Paar höchst akrobatische Flugmanöver.
9) Prachtfrucht-Taube
Wissenschaftlicher Name: Ptilinopus superbus
Verbreitungsgebiet: Australasien

Der Lebensraum der Prachtfruchttaube sind immergrüne tropische Laubwälder sowie Mangroven und Plantagen. Hier tarnt ihr Federkleid sie (bunt die Herren der Schöpfung, die Täuber, grün die Damen, die Täubinnen) perfekt.
Ihre Optik machte die Prachtfruchttauben schon früh zu beliebten Ziervögeln: Der Zoo in London präsentierte die ersten Exemplare bereits im Jahr 1865 – obwohl das eine gut geheizte Voliere und einen ganzjährigen Nachschub mit frischen Früchten notwendig machte.
10) Himalaya-Glanzfasan
Wissenschaftlicher Name: Lophophorus impejanus
Verbreitungsgebiet: südliche Gebirgswälder des Himalaya

Die Federn des männlichen Glanzfasans schillern unregelmäßig grün, lila, rot und blau, dazu kommt ein schwarzer oder kupferfarbener Schwanz. In freier Wildbahn leben die Tiere in den bewaldeten Höhenlagen von 2.500 bis 5.000 Metern; bei höheren Schneelagen ziehen sie talwärts.
Als Nachzucht sind sie weltweit beliebt, in Nepal haben es die Fasane zum Wappenvogel gebracht. Laut Daten der Welttierschutzorganisation IUCN nimmt die Zahl der Fasane zwar ab, gefährdet ist ihr Bestand aber noch nicht.
Eine fotografische Liebeserklärung in Porträts
Im Vorwort zu seinem Buch Vögel gerät Flach beinahe ins Schwärmen über die Macht der Fotografie: Sie lade uns ein, „die Biegung einer im Flug gefangenen Feder zu untersuchen und zu betrachten, die winzigsten Details der Fahnen und Widerhaken eines Gefieders, die eingefrorenen Momente torpedoartig tauchender Pinguine, die malerischen Spiegelungen von watenden Flamingos.“

Was Flach antreibt, beschrieb er jüngst im Magazin Environmental Scientist: „Die große Herausforderung ist nicht die Vermenschlichung der Tiere, sondern ihr Gefühl des Andersseins in ein Gefühl des Gleichseins zu bringen. Damit lässt sich zeigen, wie ihre Welt mit unserer verbunden ist.“
Vögel von Tim Flach, Verlag Knesebeck, 336 Seiten. 190 farbige Abbildungen, ca. 68 Euro. Die Arbeiten im Grenzbereich von Fotografie, Kunst und Wissenschaft begleitet der Evolutionsbiologe Richard Prum (Yale University).
Fotograf Tim Flach im Portrait

Seine ersten Tiere hat Flach 1977 im London Zoo fotografiert. Seine aktuelle Arbeit geht weit über herkömmliche Fotografie hinaus. Zum einen folgt er der ästhetischen Tradition der Tiermaler des 19. Jahrhunderts, seines Landsmannes John Gould und des Amerikaners John James Audubon. Das Ziel: den Lebewesen Persönlichkeit und Charakter zu verleihen und ihnen eine Bühne zu bieten. Flach ließ sich aber auch von Malern wie Rembrandt und William Turner und deren aufregendem Spiel mit Licht und Schatten inspirieren.
Der technische Aufwand der drei Jahre dauernden Produktion? Bisweilen ein 800-Millimeter-Teleobjektiv, dann wieder Optiken mit kurzer Brennweite – je nachdem, wie scheu das Gegenüber war. Dazu natürlich aufwendiges Studiolicht. Spezielle Volieren reduzierten den Stress der Models auf ein Minimum, der Fotograf blieb für die Vögel unsichtbar. In einigen Situationen wurden Sitzstangen auf Drehscheiben platziert, Teiche für Enten gebaut und Leuchten hoch über einem Becken mit tauchenden Pinguinen aufgehängt. Gearbeitet wurde ausschließlich mit in Gefangenschaft geborenen und gehaltenen Tieren. Und: Die quirligen Kolibris kosteten speziell viel Zeit.
Gearbeitet hat Flach mit Experten, die bereits ihr Leben lang mit Vögeln zu tun haben. Zwei hebt er hervor: seinen Vogelflüsterer Daniel Cullen, der als Produzent und Betreuer dabei war und Flach bei der Gestaltung der eigens angefertigten Volieren beriet. Und den Evolutionsornithologen Richard Prum von der Yale University, der die informativen Kapiteleinleitungen verfasst hat.
Flach war begeistert vom enzyklopädischen Wissen dieser Menschen: „Du kannst mit ihnen auf dieser gemeinsamen Reise so viel lernen – und wenn du ankommst, siehst du die Welt aus einer anderen Perspektive.“ Trotz aller Planung sind seine Shootings dennoch oft koordiniertes Chaos, erzählt Flach. Er hält es dann mit Picasso – „Ich suche nicht, ich finde!“ – und vertraut auf Glück und Zufall: „Manchmal muss man einfach da sein, beobachten und das annehmen, was der Tag für dich bereithält.“

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