Malaria: Endlich ein Fortschritt

Die Szene erinnert an frühe Science-Fiction-Filme: Vier Männer, davon zwei Wissenschaftler, sitzen schweigend in einem Minibus, der auf löchriger Piste gleichsam den Äquator entlangrumpelt. Fünf Uhr früh, der Tag nicht mehr als ein rosa Streifen am Horizont, die Luft schon heiß und feucht. „On arrive“, sagt der Fahrer, ein frankophoner Gabuner. Im Schritttempo rollt der Wagen entlang einer Reihe von Bretterhütten, umgeben von Bananenstauden. Einer der Passagiere hantiert mit einem seltsam wirkenden Gerät. Eine Laserwaffe? Der Wagen hält, der junge Mann springt ins Freie, tritt entschlossen in das dunkle Innere einer Hütte – und saugt mit dem Gerät Mücken von der Bretterwand!
So gesehen wirkt dieser Krieg sehr friedlich. Dennoch: Bindo, eine Arbeitersiedlung im Herzen einer Palmölplantage bei Lambarene in Gabun, ist ein Schlachtfeld. Gekämpft wird für das Überleben der Dorfkinder. Die Kleinen – vor allem Säuglinge und Kleinkinder – bilden die bei weitem größte Opfergruppe. Der Feind heißt Anopheles, seine Mordwaffe ist Malaria.
Das klingt sensationsgierig. Aber wie soll man verbal umgehen mit „etwas“, was seit Anfang des 20. Jahrhunderts mehr Menschen umgebracht hat als die beiden Weltkriege? Timothy Winegard, Autor des Buches „Die Mücke: Das gefährlichste Tier der Welt und die Geschichte der Menschheit“, beschreibt den offenbar mächtigsten Feind der Menschheit so: „Eine schwärmende und blutrünstige Armee von 110 Billionen feindlicher Stechmücken patrouilliert jeden Quadratzentimeter des Globus, mit Ausnahme der Antarktis, Islands, der Seychellen und einer Handvoll französisch-polynesischer Mikroinseln.
Die stechwütigen Kriegerinnen dieser summenden Insektenpopulation verfügen über mindestens 15 tödliche und schwächende biologische Waffen gegen die 7,7 Milliarden Menschen, deren Verteidigungsstrategien bestenfalls fragwürdig sind und nicht selten gar zum eigenen Nachteil wirken.“

Insbesondere interessieren uns die für die Impfstoffentwicklung wichtigen Gene an der Oberfläche der Malariaerreger. Und Gene, die den Schweregrad einer Infektion mitbestimmen.
Anton Hoffmann, Medizinstudent
Der Übeltäter Anopheles
Die verheerendste dieser Seuchen bleibt Malaria. Das Robert-Koch-Institut schätzt die Zahl der Erkrankten auf derzeit 300 bis 500 Millionen. Und 90 Prozent davon, so die Weltgesundheitsorganisation, WHO, leben in Afrika. Und nun zur besseren Nachricht: Entgegen allen düsteren Prophezeiungen scheint die Menschheit durchaus imstande, die Malaria zu besiegen. Gerade Gabun mit seiner, was Mücken betrifft, eher ungünstigen Lage im tropischen Regenwald, hat sich vom typischen Opferland zu einem Hoffnungsträger im Kampf gegen die Seuche entwickelt.
Eine entscheidende Rolle spielt dabei das Centre de Recherches Médicales de Lambaréné. Das unabhängige Forschungszentrum ist auf dem Gelände des Albert-Schweitzer-Hospitals in Lambarene angesiedelt. Gegründet wurde es 1992 vom Österreicher Peter Kremsner, der es, parallel zu seiner Lehrtätigkeit als Professor für Tropenmedizin an der Universität Tübingen, noch immer leitet. Die im CERMEL betriebenen Forschungen haben dazu beigetragen, dass es heute schon sehr viel effizientere Medikamente für Prophylaxe und Heilung von Malaria tropica gibt. Und möglicherweise geht in Lambarene auch der älteste Traum der Tropenmedizin in Erfüllung: eine zu 100 Prozent wirksame Malaria-Impfmethode.
Wer wollte bei diesem Abenteuer der Wissenschaft nicht mit dabei sein? Medizinstudent Anton Hoffmann, für zehn Monate von Lübeck nach Lambarene gekommen, geht zum Beispiel auf Mückenjagd in Bindo. „Die gefangenen Anopheles“, erklärt er, „werden in Käfigen für einige Tage aufgezogen, bis sich bei den infizierten Exemplaren Malariaerreger entwickeln.
Hat sich eine Mücke in dieser Nacht an einem Dorfbewohner infiziert, können wir feststellen, welche genetische Veränderungen der Erreger in der Passage von einem Menschen zum nächsten gemacht hat. Insbesondere interessieren uns die für die Impfstoffentwicklung wichtigen Gene an der Oberfläche der Malariaerreger. Und Gene, die den Schweregrad einer Infektion mitbestimmen.“

Uneingeweihte fangen mit solchen Erklärungen ähnlich viel an wie Analphabeten mit Kreuzworträtseln. Und auch in Lambarene wirkt auf den ersten Blick nichts beeindruckend, jedenfalls nicht im positiven Sinne. Das Albert-Schweitzer-Spital? Eine Anhäufung flacher Gebäude am Ufer eines schlammgelben Flusses. Was sollte da, abgesehen von einer sich scheinbar unaufhaltsam voranfressenden Vegetation, schon imponieren?
Beim Betreten der CERMEL-Pavillons ändert sich der Eindruck schlagartig. Da wandelt man durch klimatisierte Räume voller Hightech, trifft auf Scharen von Forschern und Laboranten in weißen Kitteln, darf durchs Mikroskop etwas bestaunen, was einem abstrakten Gemälde in Rot und Schwarz ähnelt.
„Der Darm einer mit Plasmodien infizierten Anopheles-Mücke“, kommentiert dazu eine sanft klingende Stimme. „Sie hat vor wenigen Tagen einen Menschen mit Malaria im Blut gestochen. Die kleinen, runden Gebilde heißen Zoozysten. Sie vermehren sich in der Mücke und wandern vom Darm in die Speicheldrüse. Bei einem erneuten Stich kann wieder ein Mensch mit Malariaerregern infiziert werden.“

CERMEL-Direktor Bertrand Lell agiert im Malariakrieg an vorderster Front. Dabei wirkt der gebürtige Linzer wie das krasse Gegenteil eines Säbelrasslers: groß und dünn, mit freundlich dreinschauenden braunen Augen und lichtem Haarwuchs. Ein eher stiller Mittfünfziger, der Hardrock und Afrika-Rhythmen liebt, seit einem Vierteljahrhundert als Junggeselle am Urwaldrand lebt und inzwischen auch die gabunische Staatsbürgerschaft besitzt.
Setzt er zu längerer Rede an, ähnelt der Professor – zwei Monate im Jahr hält Lell Vorlesungen an der Med-Uni Wien – dem Klischee des weltfremden Gelehrten. Aus gespitztem Munde dringt dann oft nur ein Satzanfang ins Freie, bleibt für einen Moment in der schwülen Luft hängen, scheinbar unschlüssig, ob und wie es mit der Formulierung dieses Gedankens weitergehen soll, bevor der üppige Rest fließend in geordneter Formation nachfolgt.

An diesem Morgen inspiziert Lell die Kriegsgefangenen aus Bindo: „Mücken-Männchen werden mit Zuckerwasser gefüttert, Weibchen mit Blut.“ Dafür bedarf es einer mit drei Plastikschläuchen verbundenen Plastikkapsel von der Größe einer Streichholzschachtel. Im Untergeschoss dieser Minibehausung befinden sich die Anopheles-Weibchen; vom Obergeschoss trennt sie eine feine Membran. „Oben füllen wir per Spritze infiziertes Menschenblut ein, das mit warmem Wasser umspült wird“, so Lell.
„Die Wärme zieht die weiblichen Mücken an. Sie stechen durch die Membran, um Blut zu saugen. Wir sezieren dann das Weibchen, um aus ihrer Speicheldrüse die malariaerregenden Plasmodien zu gewinnen.“
Aber wozu? Der Professor lächelt geduldig, offenbar werden ihm häufig überflüssige Fragen gestellt. Im Prinzip, doziert er, könne man den Erreger durch radioaktive Bestrahlung oder geeignete Medikamente abschwächen. Auf diese Weise lebt der Malariaerreger lange genug im menschlichen Körper, damit das Immunsystem Antikörper erzeugen kann. Und stirbt rechtzeitig ab, bevor die infizierte Person an Malaria erkranken könnte. Die US-Biotech-Firma Sanaria stellt so den ersten Lebendimpfstoff gegen Malaria her.
Die Wärme zieht die weiblichen Mücken an. Sie stechen durch die Membran, um Blut zu saugen. Wir sezieren dann das Weibchen, um aus ihrer Speicheldrüse die malariaerregenden Plasmodien zu gewinnen.“
Bertrand Lell, CERMEL-Direktor in Lambarene
Mit in Lambarene produzierten Malariaerregern? Wieder schüttelt Lell den Kopf: „Nein, so etwas wäre viel zu aufwendig. Die Massenproduktion der Lebendimpfung aus Hunderttausenden von Mücken besorgt Sanaria. Unser Ziel hier ist es, den gesamten Zyklus unter Laborbedingungen nachzustellen und zu erforschen, wie sich das Genom des Parasiten in der Passage zwischen Mensch und Mücke verändert.“
Im Feldzug gegen Anopheles sind Tübingen und Lambarene wichtige Stellungen. 2019 hat es bereits Testimpfungen an gabunischen Kindern gegeben. Die Ergebnisse, so Peter Kremsner, bezeugten die hohe Wirksamkeit des noch unter dem Labornamen PfSPZ laufenden Vakzins.
Im Warten auf die Wunderwaffe bleibt Lambarenes Alltag oft tragisch. Zehn Uhr vormittags, Bertrand Lell besucht die Pädiatrie des Albert-Schweizer-Spitals. Obwohl CERMEL und Krankenhaus formal voneinander getrennt sind, verbindet sie die tägliche Praxis. Der Professor will sich noch nach den jüngsten Malariafällen erkundigen. Vor der Kinderstation warten Dutzende Mütter mit Kindern unter einem Regendach.

Plötzlich ertönt aus dem am nächsten gelegenen Zimmer ein schriller Aufschrei, gefolgt von anhaltendem Heulen. Unter den wartenden Frauen herrscht Schweigen. Jede weiß, was dieses Lamento bedeutet. Die Tür des Krankenzimmers öffnet sich, heraus tritt eine Krankenschwester, in den Händen hält sie ein in Bettlaken gehülltes Bündel. Die Mutter folgt wie im Schlepptau. Noch minutenlang durchdringt ihr Klagen die Flure der Kinderstation.
Lell betritt das Zimmer, befragt die zweite Krankenschwester. „Ein hoffnungsloser Fall“, bestätigt diese. Die Mutter habe ihre zweijährige Tochter am Vorabend gebracht. Da sei das Blut der Kleinen schon völlig von Parasiten verseucht gewesen: „Wir konnten nichts mehr machen.“ Zehn Minuten später ist das frei gewordene Bett wieder belegt.
Aber der fünfjährige Munanga im Nachbarbett ist noch zu retten. Er ist seit vorgestern im Spital. Die Mutter, die in einem Armenviertel von Lambarene lebt, hatte es zunächst mit Medikamenten versucht. Aber ihr Sohn hat sich nur ständig erbrochen. Als er nicht mehr aufrecht sitzen konnte, brachte sie den Jungen in die Pädiatrie. Nun liegt Munanga mit geschlossenen Augen auf der Matratze. Als die Mutter seinen Namen sagt, dreht sich der Kopf des Kindes zu ihr hin, die Augenwimpern flattern. „Eine klare Reaktion“, konstatiert Lell erleichtert. „Er wird es schaffen.“
In Afrika ähnelt Kindheit oft einem Wettrennen mit dem Tod. Nach der Geburt bleibt das Baby noch sechs Monate durch die Antikörper der Mutter gegen Malaria geschützt. Danach ist es extrem gefährdet: Im Durchschnitt wird es ein- bis zweimal im Jahr infiziert. Reift sein Immunsystem bis zum sechsten Lebensjahr normal, erlangt das Kind eine Art Semi-Immunität. Nicht, dass es keine Malaria mehr bekommen könnte, aber in der Regel wird die Erkrankung nicht lebensgefährlich. Selbst unbehandelt verschwinden die Symptome, in erster Linie Fieber und Gliederschmerzen, nach zwei bis drei Tagen von allein.

Als Bertrand Lell vor 25 Jahren nach Gabun kam, gab es dort nur ein Malariamittel: Chloroquin. Die Resistenz dagegen war derart verbreitet, dass diese Arznei die Krankheit im Endeffekt oft noch verschlimmerte. „In den Dörfern“, erinnert sich Lell, „haben wir die Kinder scharenweise sterben sehen.“ Spürbar verbessert habe sich die Situation erst durch das Mittel Artesunat, zu dessen Entwicklung auch in Lambarene Schlüsselstudien durchgeführt worden waren.
Fortschritte brachte auch die Verbreitung der mit Insektiziden imprägnierten Bettnetze sowie eine schnellere Diagnostik dank der sogenannten Lambaréné-Scores, einer einfachen Methode zur Beurteilung des Schweregrads von Malaria. Mit ihrer Hilfe kann der Krankheitsverlauf besser vorhergesagt und die Therapie angepasst werden. Die Scores hängen nicht von Laboruntersuchungen ab, sondern beruhen auf klinischen Parametern wie Koma und schwerer Atmung.

Mit Albert Schweitzer wurde alles anders
„Eigentlich müsste heute niemand mehr an Malaria sterben“, glaubt Bertrand Lell als Wissenschaftler an Fortschritt. Sollten ihm Zweifel kommen, kann er sie durch einen Spaziergang durch das ursprüngliche Albert-Schweitzer-Spital vertreiben. Die flachen, mit Wellblech abgedeckten Gebäude entstanden 1927. Seit 1981 dienen sie als Museum – und als akkurater Fortschrittsmesser. Schweitzers OP-Raum etwa wirkt auf heutige Betrachter, als hätte Dr. Frankenstein dort mit Säge und Zange sein Monster zusammengeflickt.
Das Museum, in dessen Schatten die Gräber des Deutsch-Franzosen Albert Schweitzer, seiner Frau Helene, ihrer gemeinsamen Tochter Rhena und weiterer Mitarbeiter des ersten Spitals liegen, erzählt eine Geschichte, die, gemessen an den Normen der Gegenwart, wie Tausend-und-eine Nacht klingt. Ihr Held, ein promovierter Theologe, Philosoph und Mediziner, dazu noch protestantischer Prediger und Organist mit Bach-Expertise, behandelte und kurierte hier von 1913 bis 1964 einfach alles und jeden.
Lambarene – damals eine Ansammlung von ein paar Dutzend Hütten – bedeutet in der Sprache der Galoa-Ethnie „Wir wollen es versuchen“. Und tatsächlich ließ Schweitzer nichts unversucht, um hier Leben zu retten. Sehr verbreitet waren Krankheiten wie Lepra, Schlafkrankheit, Tuberkulose und natürlich Malaria. Im Spital wurden zudem Entbindungen, Zahnbehandlungen und chirurgische Eingriffe vorgenommen.

Für die damalige Zeit war Lambarene eine Stätte der Wunder. Bis dahin hatte es im Urwald ja nur Missionare und Fetischeure gegeben. In dieses Milieu einzutauchen und Klima, Natur und allerlei anderen Gefahren standzuhalten erforderte für Europäer, die nicht aus Gewinnsucht nach Afrika gekommen waren, viel Mut. Das koloniale Französisch-Äquatorialafrika war ganz und gar nicht Schweitzers Welt. Wie es auf ihn gewirkt hat, als er im April 1913 zum ersten Mal den Ogowe flussaufwärts fuhr, beschrieb der Elsässer in einer Weise, die noch heute perfekt zutrifft:
„Wasser und Urwald. […] Man kann nicht unterscheiden, wo der Strom aufhört und das Land anfängt. Ein gewaltiges Filzwerk von Wurzeln, von Lianen überkleidet, baut sich in den Fluss hinein. Palmstauden, Palmbäume, dazwischen Laubhölzer mit grünendem Gezweig und mächtigen Blättern, vereinzelte hochragende Bäume, weite Felder übermannshoher Papyrusstauden mit großen fächerartigen Blättern, in dem üppigen Grün erstorbene Bäume, vermodert zum Himmel emporragend. […] Aus jeder Lichtung blitzen Wasserspiegel entgegen; an jeder Biegung tun sich neue Flussarme auf. […] So geht es fort, Stunde um Stunde. Jede Ecke, jede Biegung gleicht der anderen. Immer nur derselbe Wald, dasselbe gelbe Wasser. Die Monotonie steigert die Gewalt dieser Natur ins Ungemessene.“
Den einzigen Halt auf dem Flussweg zu ihrem Ziel machte das Ehepaar Schweitzer in der protestantischen Missionsstation Ngomo: ein damals als sehr fortschrittlich geltender Ort mit Jungenschule, Mädchenschule, Berufsschule und Internat. Es gibt den Ort noch heute. Von Lambarene aus liegt es mit der Motorpiroge anderthalb Stunden flussabwärts. Schon von weitem sieht man, gleich einem Burgfried, den Glockenturm der alten Missionskirche aus dem Uferdickicht ragen.

Der Rest hingegen ist weitgehend in feuchter Tropenhitze verfault und von gefräßiger Vegetation überwuchert. Die Zahl der Einwohner? Schwer zu schätzen. Zu sehen sind an diesem Sonntagnachmittag nur ein knappes Dutzend. Wie Pastor Jean-Claude Onanga: Seit sechs Monaten im Amt und wohl nicht für sehr lang, klagt er über Heerscharen von Fledermäusen im Dachgebälk der Kirche.
Und dann ist da eine in Weißgekleidete, bis auf die Knochen abgemagerte Frau, die sich als „Mutter Theresa von Ngomo“ vorstellt. Ihr wahrer Name ist Hugette Eugénie Nkeze. Ihr Mann, erzählt sie, sei ein berühmter Oppositionspolitiker gewesen. 1990 habe ihn das über Gabun herrschende Bongo-Regime (Vater und Sohn, seit mittlerweile 57 Jahren) ermorden lassen: „Da beschloss ich, den Rest meines Lebens den Armen von Ngomo zu schenken.“
Immerhin verfügt Ngomo noch immer über ein Dispensarium. Es besteht aus zwei Betten ohne Laken und einem Schränkchen, gefüllt mit Medikamenten weit jenseits der Verfallsgrenze. Die zuständige Krankenschwester macht einen ebenso lieben wie ahnungslosen Eindruck. Auf die Frage, was sie gegen Malaria verabreicht, holt sie eine Packung Quinimax aus dem Schrank. Die nächste Frage, wie oder ob sie Malaria mit Sicherheit testen könne, beantwortet sie nur mit einem Schulterzucken.
Aus einem Dorf wie diesem mag vor Tagen jene zum Tode verurteilte Zweijährige in der Pädiatrie des Albert-Schweitzer-Spitals eingetroffen sein. Hoffnungslos spät. Die Krankenschwester nickt zustimmend: In Ngomo sei das beste Mittelgegen Malaria noch immer die Motorpiroge nach Lambarene. Vorausgesetzt, es lasse sich genügend Sprit für die Fahrt auftreiben! Fatal wirkt eben auch die anhaltende Armut der Menschen in einem de facto sehr reichen Land. So oder so, der Krieg gegen Anopheles ist noch längst nicht gewonnen. Und schuld daran ist nicht die Medizin.

Steckbrief eines Killers
Was Malaria so gefährlich macht und wie der Sieg gegen die Seuche gelingen kann.
Die Opferbilanz: 228 Millionen Menschen erkrankten 2018 weltweit an Malaria. 405.000 Menschen starben 2018 an der Seuche. 2000 waren es noch 839.000. Bis heute sind mehr als die Hälfe der Todesopfer Kinder. Doch der zähe Kampf gegen die Krankheit zeigt Erfolge, die lange für unmöglich gehalten wurden: Allein im Vorjahr erklärte die Weltgesundheitsorganisation WHO Algerien, Argentinien, Iran und Malaysia für malariafrei.
Der Überträger: Anopheles-Mücken werden rund sechs Millimeter groß. Die Gattung umfasst 420 Arten, etwa 40 davon können Malariaerreger übertragen. Während ihrer vier Wochen andauernden Lebenszeit kann ein Weibchen über1.000 Eier legen, dazu braucht sie nur eine kleine Lacke – und vor jeder Eiablage mindestens eine Blutmahlzeit.
Die Krankheit: Eine infizierte Mücke sticht einen Menschen. Mit ihrem Speichel gelangen Sporozoiten in den Blutkreislauf, wo sie sich zu Merozoiten teilen und vermehren. Beim Menschen macht sich das durch Fieberschübe bemerkbar. Einige Merozoiten bilden männliche und weibliche Gametozyten. Die werden von einer blutsaugenden Gelse geschluckt. Im Darm der Mücke verschmelzen weibliche und männliche Gametozyten und bilden gemeinsam rund 1.000 Sporozoiten. Die wandern in die Speicheldrüse der Gelse. Mit dem nächsten Mückenstich werden die Sporozoiten in den Blutkreislauf des nächsten Menschen gedrückt. Und damit beginnen die Kreisläufe erneut.

Der Kampf gegen die Mücke
Seit die Anopheles-Mücken als Überträger des Krankheitserregers feststehen, werden sie mit wechselndem Erfolg bekämpft.
Hacke und Spaten: In Europa half bei der Ausrottung der Überträger etwa das Trockenlegen der Marschlandschaften in Norddeutschland.
Gift: Mit dem Insektizid DDT gelang es, große Gebiete in Asien sowie den Mittelmeerraum von Malaria zu befreien. In Afrika klappte das nicht. Heute ist DDT fast überall verboten.
Netze: Seit 2004 hat die WHO zwei Milliarden Moskitonetze verteilt. Damit sie Schlafende noch besser vor Insekten schützen, sind sie mit Insektiziden versetzt. Das hat eine Milliarde Malariainfektionen und sieben Millionen Todesfälle verhindert.
Gentechnik: Mehrere Initiativen wollen das Erbgut der Überträger von Malaria mithilfe von sogenannten Gene Drives manipulieren und die Insekten damit ausrotten. Doch selbst der Erfinder dieser Technik, der Biologe Kevin Esvelt, warnt vor leichtfertigem Einsatz.
„PFSPZ“: Mit dem Impfstoff kommen abgeschwächte Krankheitserreger in den Körper. Der bekämpf die Eindringlinge und ist von da an auf weitere Angriffe vorbereitet. Der Tübinger Tropenmediziner Peter Kremsner hat die Anwendung entscheidend verbessert: Er impfte 67 Testpersonen aktive Erreger und verabreichte dazu ein Malariamedikament. Alle Probanden blieben künftig gesund. Andere Methoden schützen lediglich 30 bis 50 Prozent der Geimpften.
Diese Geschichte erschien erstmals im Terra Mater Magazin 3/2020.

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