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Wie aus Plastik wieder Öl wird

Der Energiekonzern OMV patentierte ein Verfahren für das chemische Recycling von Kunststoff. Das ist besonders effizient, weil es bereits bei vergleichsweise niedrigen Temperaturen gelingt.
2 Min. Lesezeit
Chemische Recycling Anlage Raffinerie Schwechat Foto: OMV Aktiengesellschaft
Chemische Recycling Anlage Raffinerie Schwechat
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Kunststoffrecycling funktioniert grundsätzlich auf zwei komplementäre Arten (die thermische/energetische Wiederverwertung, sprich: Verbrennung, einmal ausgeklammert): Bei der mechanischen Variante werden Kunststoffe sortenrein gesammelt, dann gereinigt, zerkleinert und mit vergleichsweise geringem Ressourcenaufwand wieder zu Kunststoff-Rohstoff aufbereitet. Die langkettigen Kohlenwasserstoffe (Polymere) bleiben dabei erhalten. Es kommt allerdings bei jedem Recyclingvorgang zu einer leichten Qualitätsminderung (Downgrading).

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Chemisches Recycling spaltet die Polymere in kürzere Ketten, die über bestehende Raffinerie- und Petrochemieanlagen wieder zu Neupolymeren verarbeitet werden. Neue Produkte lassen sich ohne Qualitätsverlust fertigen. Die Depolymerisation erfolgt durch Erhitzen und thermisches Aufbrechen (Cracken) der Ketten: Aus Kunststoff entsteht SynCrude, synthetisches Rohöl. Obwohl zig Verfahren existieren, ist ihre Anwendung im ökonomischen Maßstab noch nicht geglückt – mechanisches und chemisches Kunststoffrecycling in Kombination sind aber langfristig die Lösung.

OMV Chemische Recycling Kreislauf Foto: OMV Aktiengesellschaft
OMV Chemische Recycling Kreislauf

Die OMV befasste sich 2009 beim inzwischen patentierten Projekt ReOil erstmals mit chemischem Recycling. Der Ansatz: Je dünnflüssiger recycelter Kunststoff gemacht werden kann, desto einfacher lässt er sich mit erprobter Raffinerietechnologie verarbeiten. Kunststoff ist ein schlechter Wärmeleiter, daher lautete die entscheidende Frage, wie man die zum Cracken erforderliche Temperatur erreicht.

Damit war es möglich, in Raffinerien übliche Rohrreaktoren zu verwenden, um den Kunststoff in seine Bestandteile aufzuspalten.

Heureka-Moment war das Beimischen eines Lösungsmittels: vorgewärmtes Schweröl, das in der Raffinerie als Nebenprodukt anfällt. Der bei rund 400 Grad verflüssigte Kunststoff kriecht nun nicht wie Honig durch die Rohre, sondern fließt wie Wasser. Wolfgang Hofer, Advisor Plastic to Oil der OMV, sagt: „Damit war es möglich, in Raffinerien übliche Rohrreaktoren zu verwenden, um den Kunststoff in seine Bestandteile aufzuspalten.“

Erste Versuche fanden ab 2010 unter Laborbedingungen im Technikum der OMV Raffinerie Schwechat statt, mit simplen Glaskolben und Heizpilzen. Ziel war vor allem die Beherrschung der Materie, etwa die Vermeidung von „cold spots“ als Quelle von Verstopfungen. Diese erste Testanlage verwandelte ab 2013 bereits fünf Kilo Kunststoff pro Stunde in ebenso viel SynCrude.

Chemisches Recycling mit der OMV Pilotanlage in der Raffinerie Schwechat:

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Seit 2018 wird die aktuelle Pilotanlage bereits mit 100 Kilogramm Kunststoff pro Stunde beschickt und besteht regelmäßig Testläufe von 40 Tagen. Eine Demoanlage mit einer Kapazität von rund 16.000 Jahrestonnen ist in Planung, ab 2025/2026 soll dann die erste industrielle Anlage (Kapazität 200.000 Jahrestonnen) folgen. Ab dieser Größe ist chemisches Recycling auch wirtschaftlich. Hat die bestehende Pilotanlage noch die Dimension eines schlanken dreistöckigen Hauses, ist die industrielle Anlage so groß wie eine Reihenhaussiedlung. Platz dafür ist am OMV-Raffinerie-Gelände.

Was ReOil im Vergleich zu anderen chemischen Recyclingverfahren attraktiv macht, ist der überschaubare Energieaufwand: Die Prozesstemperatur entspricht mit moderaten rund 400 Grad etwa der eines Pizzaofens. Nach einer Abschätzung des Umweltbundesamts entsteht bei der Verarbeitung von Kunststoffmüll im Vergleich zur Raffinierung von Rohöl 45 Prozent weniger Kohlendioxid bei 20 Prozent weniger Energieeinsatz.

Rohöl der Raffinerie Schwechat Foto: OMV Aktiengesellschaft
Das aus Plastik gewonnene synthetische Rohöl.

Verarbeitet werden im ReOil-Prozess vorzugsweise Polyethylen, Polypropylen und Polystyrol; sie machen 60 Prozent des alltäglichen Kunststoffs aus. Willkommen sind auch Mehrschichtfolien, die die Lebensmittelhaltbarkeit verlängern: Diese lassen sich mechanisch kaum oder nur schwierig wiederverwerten. Der Prozess wird im Detail hier beschrieben.

Das Basismaterial für ReOil liefert aktuell beispielsweise die OMV-Tochter Borealis, europäischer Marktführer im mechanischen Kunststoff-recycling, mit Resten, die bis dato verbrannt wurden. Ein weiteres Beispiel ist Direktlieferant AUA: Sie sammelt etwa gebrauchte Plastikbecher.

Welche Mengen fallen insgesamt an? In Österreich werden jährlich rund 1,1 Millionen Tonnen Kunststoffe in Verkehr gesetzt, mindestens ein Drittel ist theoretisch recycelbar. Laut einer Studie des Abfallexperten Lukas Kranzinger werden in Österreich aktuell etwa 14 Prozent der Polyolefine mechanisch recycliert. Der Rest wird Ersatzbrennstoff oder landet in der Müllverbrennung.

Was Kunststoffrecycling künftig generell effizienter machen könnte, ist breiteres Sammeln und kluges Sortieren bereits beim Verbraucher, so Wolfgang Hofer: „If you name it waste, you treat it like waste – das ist der falsche Ansatz. Wir müssen Kunststoffabfall als Ressource betrachten, nicht als Müll!“

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