Ein Tag schreibt Geschichte: Der erste Mikrowellenherd

AM 8. OKTOBER 1945 WURDE BEIM UNITED STATES PATENT OFFICE ein Patent für ein Gerät eingereicht, das bis heute die Menschheit in zwei Lager teilt: Die einen haben es, die anderen nicht. Nun, das gilt auch für Stabmixer, Lesebrillen und Mundharmonikas. Doch hier geht es um mehr: Mit dem Mikrowellengerät ist nahezu religiöser Fanatismus verbunden.
Deren Befürworter würden am liebsten ihre Katze darin trocknen, wenn sie nicht dummerweise daran sterben würde. Und für die Gegner ist die Mikrowelle das Böse in der Küche schlechthin: zerstört Vitamine, Eiweiße, Antioxidantien, macht die Nahrung zu nährstoffloser Substanz, erzeugt bei denen, die auch nur daran vorbeigehen, Krebs und setzt durch lokale Überhitzung Schadstoffe frei.
Manche dieser Vorwürfe gegen die Mikrowelle stimmen, andere sind skurril, wenn auch nicht ganz so skurril wie die Geschichte ihrer Erfindung. Es ist genau genommen die Geschichte einer Findung, denn die Möglichkeit, mit Mikrowellenstrahlung Speisen zu erhitzen, wurde durch einen Zufall entdeckt, der sich in der Hosentasche eines Ingenieurs zutrug.
Percy LeBaron Spencer, Sohn eines Farmers aus New England, war einer der produktivsten Erfinder in der Geschichte der Menschheit – obwohl er nicht einmal einen Schulabschluss hatte. Ein Physiker vom renommierten Massachusetts Institute of Technology (MI T) meinte einmal, genau das wäre sein Vorteil gewesen: Ein echter Physiker wüsste, dass etwas nicht funktionieren könne, und denke daher gar nicht weiter darüber nach. Spencer dagegen wüsste das nicht, tüftle weiter – und siehe da: Es funktioniert doch!
Lasst uns probieren, dann werden wir schon sehen.
Der legendäre Lösungsansatz des Selfmade-Erfinders Percy LeBaron Spencer
Als Kind kam Percy Spencer nach dem Tod seines Vaters zu einer Tante, die ihr Geld als herumziehende Weberin verdiente. Als er 16 war, suchte eine Fabrik Leute für die Installation der gesamten Elektrik. Percy, der davon keine Ahnung hatte, verließ die Schule, bewarb sich, lernte in der Nacht aus Büchern und am Tag nach der Methode „Versuch und Irrtum“ und war nach Beendigung des Auftrags ein fähiger Elektriker. Das Muster seines Lebens – hier wurde es angelegt.
1912, da war Percy 18, sank die Titanic. Er las die Zeitungsberichte über die Katastrophe und war vor allem von der Leistung der Funker beeindruckt, die ihre Notrufe noch abgesetzt hatten, als ihnen das Wasser bis zu Hals stand. Percy ging zur Marine, wurde Funker, lernte nebenbei alles über Trigonometrie, Differenzialrechnung sowie Metallurgie und arbeitete nebenbei und auch noch nach seiner Ausmusterung für einen großen Hersteller von Funkgeräten.
1925 stieß er zu einer Zweimannfirma, die gerade dabei war, ihren Namen in „Raytheon“ (zu Deutsch: Strahl der Götter) zu ändern. Das Unternehmen stellte allerlei elektronische Geräte her. Sie wuchs schnell und hatte bald eine eigene Forschungsabteilung. Natürlich war es Percy Spencer, der sie leitete. Einer seiner ersten Erfolge waren wichtige Verbesserungen der photoelektrischen Vakuumröhre, was in der Folge direkt zur Entwicklung der Fernsehröhre führen sollte.
Das erstes Mikrowellengerät, das 1947 in den Verkauf kam, war mannshoch, wog 400 Kilo und kostete so viel wie ein Mittelklasseauto.
Deshalb setzte sich das Ungetüm vorerst nur in Großküchen und Restaurants durch
Vor und während des Zweiten Weltkriegs war Radar das große Thema. Spencer beschäftigte sich mit dem Magnetron: Das ist eine Röhre, in der elektromagnetische Strahlung im Mikrowellenbereich erzeugt wird. Verwendet wird das Magnetron unter anderem in Radargeräten, und Spencer schaffte es durch konstruktive Verbesserungen, die Produktionsrate von einem Stück in der Woche auf 2.600 pro Tag zu steigern. Dadurch konnten die Alliierten vor allem ihre Nachtbombereinsätze erheblich steigern – mit den bekannten Folgen.
Irgendwann im Frühling des Jahres 1945 – Spencer stand gerade vor einem seiner Magnetrone – bemerkte er, dass der Schokoriegel in seiner Hosentasche schmolz. Es wäre nicht Percy Spencer gewesen, hätte er sich nicht sofort die richtigen Gedanken gemacht und die richtigen Folgeexperimente durchgeführt: Er legte Maiskörner vor die Röhre, und schon hatte er das erste Mikrowellenpopcorn der Welt erzeugt. Die Legende weiß noch von einem vor die Röhre gelegten Ei, das den überraschten Mitarbeitern natürlich ins Gesicht platzte, aber wie gesagt: eine Legende.
Machen Sie die größte Kochentdeckung seit dem Feuer.
Werbespruch für den ersten heimküchentauglichen Mikrowellenofen Amana Radarange, 1969
Spencer blieb dran, und schon 1947 produzierte Raytheon mit dem „RaydaRange“ den ersten Mikrowellenherd der Geschichte und verkaufte ihn auch – freilich an ein ausgewähltes Publikum, denn der „RaydaRange“ war mannshoch, wog 400 Kilo und kostete so viel wie ein Mittelklasseauto. Jedoch erkannten Restaurants, Großküchen und AirlineCaterer bald die beeindruckenden Möglichkeiten des aufwandsarmen Erhitzens und griffen zu. Schon in den 1950ern wurden kleinere, günstigere Modelle für den Haushalt erzeugt. Bis der Mikrowellenherd von Hausfrau und Hausmann so richtig breit akzeptiert wurde, sollten noch an die 20 Jahre vergehen. Heute besitzen 72 Prozent der deutschen und 98 Prozent der amerikanischen Haushalte eine Mikrowelle.
Percy Spencer starb 1970. Zuletzt war er im Vorstand von Raytheon und hinterließ persönlich mehr als 300 Patente. Raytheon ist heute einer der führenden Rüstungskonzerne der Welt und beschäftigt über 70.000 Mitarbeiter.

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