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Das war der Terra Mater Digiscoping Event 2022!

Gelungene Sache: Das Terra Mater Magazin interviewt Dr. Jörg Kretzschmar zum Leser-Workshop „Digiskopie“ und geht der Faszination Naturfotografie nach.
Text: Redaktion, Fotos: Jörg Kretzschmar / 5 Min. Lesezeit
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Jörg, Naturfotografie mit dem Teleskop war das Thema des ersten Schnupperkurses des Terra Mater Magazins in Kooperation mit Swarovski Optik. Wie war’s?

Ich fand es sehr beeindruckend: den Nationalpark Neusiedler See, die Beobachtungsmöglichkeiten gerade mit Optiken eines der führenden Fernglas- und Teleskopherstellers der Welt und natürlich den Menschen, welche den Genuss mit und in der Natur suchen. Heuer, wie man bei euch sagt, waren wir in der St. Martins Therme untergekommen, die eine beeindruckende Lage aufweist: umgeben von Naturwundern, die wir in Europa kaum ein zweites Mal finden.

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Verträgt sich eine anspruchsvolle Naturfotografie mit dem Einsatz eines Mobiltelefons?

Das Mobiltelefon ist die Kamera, die jeder dabeihat. Was nutzt der technisch ausgereifteste Vollformatbolide, wenn er zu Hause liegt? Es war noch niemals zuvor so leicht und einfach, mit einer hochwertigen Handykamera selbst Naturbilder zu erstellen – und dies auf große Distanzen. Mit einem hinter ein Spektiv gehaltenen Mobiltelefon betreten wir eine völlig andere Bilderwelt. Es ist auch eine Bilderwelt jenseits der konventionellen Naturfotografie, da wir Vergrößerungen weit jenseits der 600 Millimeter der Naturfotografen nutzen.
Das Gros der Bilder wird heute nicht gedruckt, sondern auf Social Media geteilt, auf Portalen hochgeladen oder am heimischen Beamer gezeigt. Die in den aktuellen Mobiltelefonen verbaute Kameratechnik erfüllt diese Ansprüche mittlerweile umfänglich.

Tierfotos, mit dem Mobiltelefon geknipst von Dr. Jörg Kretzschmar

Wie kamst du selbst zur Digiskopie?

Als Junge hat mir die Natur einen Ort der Ruhe und des inneren Friedens gegeben, und natürlich war ich schon früh auf Entdeckungstour – mit etwa vier Jahren begann es bei mir wie bei vielen anderen auch. Als Jugendlicher bekam ich dann mein erstes Fernglas und erlebte das Gefühl optischer Nähe, aber erst als Student konnte ich mir mein erstes eigenes Spektiv zulegen. Der Blick durch das Teleskop eröffnete vollkommen neue Bildwelten: intime Nähe und natürlich das viele zuvor Unentdeckte, das nun zu einer Vertrautheit werden konnte. Damals war „National Geographic“ eine Referenz für Bilder, die noch keiner gesehen hatte – und insgeheim wünschte ich mir, ähnliche Bilderlebnisse erfahren zu dürfen. In den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts – als die Fototechnik „digital“ zu werden begann und die ersten Kameras mit leistungsstarken Kleinstobjektiven aufwarteten –, experimentierten zunächst Vogelgucker mit der Möglichkeit, ihre Beobachtung fototechnisch zu dokumentieren.

Wer etwas Seltenes – eine Seltenheit im Wortsinne – sah, der hatte vor dieser Zeitenwende eine Zeichnung anzufertigen, falls möglich, auch eine Tonaufnahme, um es von den sogenannten Seltenheiten-Kommissionen anerkennen zu lassen. Ein digitales Bild erleichterte da einiges, zumal fortan auch das Erlebnis „shareable“ wurde, wie wir heute sagen. Ich selbst bin um die Jahrtausendwende ernsthafter in die Digiskopie eingestiegen, als ich mir eine Kompaktkamera von Kodak zulegte. Zu meinen ersten Digiskopien zählte ein Faultier im Nebelwald von Monteverde in Costa Rica – mit analoger Normalausstattung hätte ich diese Beobachtung als Foto nicht hinbekommen, sie wäre damals für mich schlicht nicht finanzierbar gewesen. Ein paar Jahre später wurde vieles einfacher, als auch die Adapter zwischen Kamera und Teleskop von der Industrie angeboten wurden – fortan senkte sich der Bildausschuss merklich. Heute lassen sich mit einem Handgriff Kamera und Optik gebrauchsfertig adaptieren, und der Genuss des Bilder-selber-Machens kann beginnen.

Heute lassen sich mit einem Handgriff Kamera und Optik gebrauchsfertig adaptieren, und der Genuss des Bilder-selber-Machens kann beginnen.

Was ist derart faszinierend an der Digiskopie?

Es ist einfach unglaublich, was dank einem nur wenige Millimeter großen Lichtpunkt am Ausgang eines Teleskops fototechnisch alles möglich wird. Die Teilnehmer:innen waren von euch eingeladen worden, sich eine solche Welt der Naturnähe, der Intimität zum Motiv selbst einmal zu erschließen, und ich hoffe, viele teilen nun die Begeisterung, mit modernen Teleskopen diesen besonderen Erlebnisraum zu betreten. Der Zugang ist weit weniger kostspielig als langbrennweitige Telefotografie und mit weniger Aufwand verbunden, als im Tarnanzug oder Hide über Stunden oder gar Tage einem Motiv nahe zu kommen. Viele wünschen sich Fotos, die aus der Beobachtung selbst heraus entstanden sind, aus einer Distanz, die dem Tier genügend Komfort in Anwesenheit des Menschen ermöglicht, der sich selbst nicht zu verstellen oder zu verbergen braucht. Das Teleskop erschließt ab 25-/30-facher Vergrößerung einen Bildraum, in den eine Langbrennweite nicht so ohne weiteres Zugang findet. Digiskopie mit einem Mobiltelefon spielt in einem Motivabstand von 30 bis 50 Metern seine Stärken aus: Es ermöglicht optisch ansehnliche Ergebnisse ohne größere Anschaffungen oder vertiefende Fotokenntnisse.

Wenn die Bedingungen günstig sind, lassen sich auch Distanzen jenseits der 100 Meter überbrücken. Nicht wenige Teilnehmer:innen zoomen daher gerne einmal bis zu 70-fach hinein und schauen, wie weit es überhaupt geht – und das meint bei einem aktuellen Mobiltelefon mit optischer Telelinse durchaus eine Brennweite von über fünf Metern. Allein diese Zahl ist beeindruckend: 5.000 Millimeter Brennweite. Das ergibt fotoästhetisch natürlich nur in Ausnahmefällen wirklich Sinn, zeigt dennoch, womit wir es zu tun haben – das Überbrücken optischer Distanzen mit Naherlebnis. Ein anderer Aspekt wird indes häufig übersehen. Moderne Teleskope sind nicht nur optisch hervorragend korrigiert und arbeiten mit einer festen „Offenblende“ von etwa 8 bis 9, sie eignen sich auch zur Makrofotografie in einem Nahbereich von 2,5 bis 3 Metern. Wer Libellen, Reptilien oder Schmetterlinge formatfüllend ablichten will, kann dies mit einem Teleskop samt Mobiltelefon ebenso einfach tun. Bei diesem Schnupperworkshop standen jedoch vor allem Vögel im Vordergrund, die naturfotografisch zu den schwierigeren Genres zählen, auch wenn die meisten Teilnehmer:innen sich am Schluss über ein Ziesel „skopal“ begeisterten – eine „Signatur-Art“ der Pannonischen Tiefebene, die das Naturschöne so sehr zu verkörpern vermag.

Behind the scenes: Terra Mater Digiscoping Event 2022 (Fotos: Simon Weichselbaumer)

Welche Eindrücke hattest du von diesen beiden Tagen?

Zunächst die Natur: die Trappen bei der frühmorgendlichen Balz im Schutzgebiet Waasen-Hanság, die Wiesenweihen bei ihren Revierflügen sowie die vielen Wasservögel, darunter seltene Limikolen (Watvögel) an den Lacken. Und natürlich die Teilnehmer:innen des Workshops: Fotografisches Sehen wird in der Digiskopie, also der Nutzung eines Teleskops anstelle einer Langbrennweite, noch einmal vor andere Anforderungen gestellt. Der extreme Bildausschnitt bei Brennweiten im Meterbereich und die extrem schmale Schärfentiefe sind für viele, welche den Bildeindruck ihrer Ultraweitwinkel am Mobiltelefon gewohnt sind, noch einmal eine andere Voraussetzung. Das erfordert durchaus ein wenig Umdenken. Zudem sind einige technische Fertigkeiten wie das Schärfenachziehen einzuüben, bevor es „richtig schick“ wird. In der Digiskopie steht uns kein Autofokus zur Seite. Skopale Fotografie, wie ich die Digiskopie jenseits bloßer Dokumentation nenne, führt uns zu einer Achtsamkeit, die letztendlich in einer „slow photography“ mündet – einer Rückbesinnung auf das aufmerksame Hinschauen, weniger ein Drauflosknipsen. Naturliebhaber genießen es, zu beobachten, und das Digiskopieren dieser Beobachtung erzeugt eine überaus tiefe Befriedigung – zumal wenn dies mit einem Premiumprodukt geschieht.

Terra Mater wird – so denke ich – ebenfalls in einem solchen Duktus verfasst. Der schöne Moment transzendiert als Dauer, und er schafft dies in Form des besonderen Bildes und (s)einer Erzählung. Bereits nach wenigen Stunden sind die Teilnehmer:innen in der Lage, mittels Digiskopie selbst zu schönen Bilderinnerungen zu gelangen, zu Bilderzählungen, die sich dank Mobiltelefon schnell und einfach auch mit anderen teilen lassen. Naturbeobachtung erfährt somit eine „Sozialisierung“, die zu der Zeit, als ich Kind war und mit dem Seherlebnis eines Spektivs begann, nicht einmal vorstellbar war. Viele kennen die Digiskopie und ihre besonderen fotoästhetischen Möglichkeiten überhaupt nicht – ich danke euch, den Teilnehmer:innen ein solches Seh- und Fotografie-Erlebnis ermöglicht zu haben.

Fotos der Teilnehmer:innen beim Terra Mater Digiscoping Event 2022

Jörg, wir danken dir, den Teilnehmer:innen und unserem Partner Swarovski Optik für den gelungenen Workshop.

Das Interview führte Simon Weichselbaumer von Terra Mater Magazin mit Dr. Jörg Kretzschmar (u. a. auf Instagram unter @scopalphotography).

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