Alternative Energien aus Sonne, Wind und Wasser

1. DIE SCHLAUE LAGUNE
Was: ein Gezeitenkraftwerk in der Swansea Bay
Wer: das Unternehmen Tidal Lagoon Power und private Investoren
Warum: Dank Ebbe und Flut liefern Gezeitenkraftwerke zuverlässig emissionsfreien Strom. Doch bisherige Modelle, wie etwa in Frankreich und Südkorea in Betrieb, schneiden ganze Buchten vom Meer ab und sorgen so für Versandung und Artenschwund. Tidal Lagoon Power plant eine künstliche Lagune.
Die Bucht von Swansea in Wales gehört zu den Küsten mit dem größten Tidenhub: Zwischen Ebbe und Flut schwankt der Meeresspiegel um bis zu 8,5 Meter. Seit 2010 gibt es Pläne, hier ein Gezeitenkraftwerk zu bauen – in Form einer riesigen Lagune: Ihr Inneres würde als Wasserspeicher dienen, könnte aber auch für Schwimmbäder und Austernfarmen genutzt werden. Die 16 Turbinen am unteren Ende der Lagune würden Strom für mehr als 150.000 Haushalte erzeugen. Nachdem die britische Regierung aus Kostengründen ihre Unterstützung entzogen hat, haben die Verantwortlichen nicht aufgegeben und verhandeln mit privaten Investoren. Sollte das klappen, könnte das Kraftwerk 2025 ans Netz gehen.
2. LASST STROM AUS DEM BACH KOMMEN
Was: Österreichs unscheinbare Reserve auf dem Weg zu 100 Prozent erneuerbarem Strom
Wer: rund 4.000 heimische Kleinwasserkraftwerke
Warum: Österreich hat sich verpflichtet, bis 2030 Strom 100-prozentig aus erneuerbaren Quellen zu produzieren (aktuell sind es 70 Prozent). Das Potenzial von Kleinkraftwerken ist unaufwendig und höchst ökologisch nutzbar – und damit ein vernünftiges Geschenk an unsere Kinder und Kindeskinder.
Dass in jedem zweiten Haushalt Österreichs das Licht brennt – das garantieren Kleinkraftwerke. Sie erzeugen 10 Prozent des heimischen Bedarfs. Es könnten auch 15 sein: Dafür müsste man nur bestehende Anlagen durch intelligente Turbinentechnologie modernisieren und bestehende Querbauwerke (etwa Wehre, die ohnehin laufend gewartet werden müssen) in Fließgewässern zweifach nutzen. Einmal installiert, sind die kleinen Stromlieferanten Generationenprojekte und ihre Betreiber die Waldbesitzer unter den Energieproduzenten: Kleinkraftwerke halten beinahe ewig. Österreichs erstes Wasserkraftwerk an der Traun, Gschröff, funktioniert seit 1888. Und in Siebenbrunn in Oberösterreich produziert die 1923 installierte Kaplan-Turbine noch immer Strom.
Holz zu verbrennen ist die wohl älteste Technologie der Menschheit. Höchste Zeit also für ein Update.
Die Lösung: Holz wird in Holzkohle und Gas zerlegt und dann genutzt
3. KRAFT AUS BIOMASSE
Was: Energiegewinnung
Wer: Michael Wild, BioCarbonPower, Wien
Warum: Weil es höchste Zeit ist, die Kraft effizient zu nutzen, die in Biomasse steckt.
Holz zu verbrennen ist die wohl älteste Technologie der Menschheit. Höchste Zeit also für ein Update. Michael Wild vom Projektentwickler BioCarbonPower will dazu etablierte Verfahren intelligent kombinieren und damit den Energieertrag aus Biomasse glatt verdoppeln. Das Prinzip: Holz wird auf 400 bis 600 Grad erhitzt. Dadurch zerlegt es sich in Gas und eine Art Holzkohle. Das Gas lässt sich wie Erdgas etwa in großen Kraftwerken nutzen, ein kleiner Teil wird verwendet, um den Prozess am Laufen zu halten. Der feste Rückstand wird zu einem klimaneutralen Heizmaterial komprimiert. Derartige Anlagen sollen bald in Belgien in Betrieb gehen, weitere werden in den USA und in Asien folgen.
4. HEIZEN, ABER SAUBER
Was: Konventionelle Kraftwerkstechnik verliert ihren Klima-Schrecken
Wer: Gerhard Schöny, Technische Universität Wien
Warum: Selbst die saubersten Biomasse- und Gaskraftwerke blasen Kohlendioxid in die Atmosphäre und befeuern damit den Klimawandel. Zwar gibt es Anlagen, die das Klimagas einfangen, doch die sind riesig, teuer und energiehungrig. Der Prototyp der TU Wien ist ihnen in vielen Belangen überlegen.
Die Pilotanlage läuft bereits in Wien Simmering: Ein Teil des Abgases aus einem Biomassekraftwerk strömt zunächst durch einen Tank, in dem extrem poröse Partikel herumwirbeln, die mit Aminen überzogen sind. „Die Amine binden das Kohlendioxid an sich“, erklärt Gerhard Schöny. Nach einiger Zeit im Abgasstrom gelangen die Partikel in einen zweiten, vorgeheizten Tank. Durch die Hitze geben die Amine das Kohlendioxid wieder ab, jetzt kann das Gas eingefangen werden. „Damit reduzieren wir den Anteil des Kohlendioxids im Abgas um 90 Prozent“, sagt der Forscher. Mögliche Einsatzgebiete der Technologie sind Biogasanlagen, Gaskraftwerke, Hochöfen oder Zementwerke.
Die Wechselstrombatterie: Ihr Erfinder kommt aus der Hochenergiephysik und ließ sich dazu von einem Bauteil eines Teilchenbeschleunigers inspirieren.
Strom ist nicht gleich Strom, deswegen braucht es auch unterschiedliche Batterien
5. WECHSEL IST DAS NEUE GLEICH
Was: Biode – die erste Wechselstrom-Batterie
Wer: Tadashi Kubo und Atsushi Mizusawa, AC Biode
Warum: Batterien laufen mit Gleichstrom, doch aus der Steckdose, mit der sie geladen werden, kommt Wechselstrom – der beim Laden mit Verlusten von bis zu 35 Prozent umgewandelt werden muss. Zwei Japaner demonstrieren, wie es effizienter geht: Sie haben eine Wechselstrom-Batterie entwickelt, die schon bald in E-Bikes und Elektrorollern zu finden sein könnte.
Er habe sich schon seit Jahren gewundert, warum es keine Wechselstrom-Akkus gibt, erzählt Tadashi Kubo. Als er seinen späteren Geschäftspartner Atsushi Mizusawa traf, schmiedeten die beiden sofort Pläne: Mizusawa, der aus der Hochenergiephysik kommt, ließ sich von einem Bauteil eines Teilchenbeschleunigers inspirieren, um eine neue Wechselstrom-Batterie zu entwerfen: die AC Biode. Mangels Umwandlungsverlusten ist sie bis zu 30 Prozent effizienter als herkömmliche Gleichstrom-Akkus und nutzt dabei die Einzelteile, mit denen die Akku-Hersteller ohnehin hantieren. Erst werden die beiden versuchen, ihren Akku in E-Bikes und Elektroroller zu bringen: „Der Markt ist kleiner und kann sich schneller anpassen.“ Dann kommt der große Brocken: Elektroautos.
6. HEUTE STEIERMARK, MORGEN ASIEN
Was: Mini-Wasserkraftwerke für Schwellenländer
Wer: Stefan Strein, doro Turbinen GmbH
Warum: Jeder sechste Mensch weltweit hat keinen Zugang zu Strom. Und kleine Dörfer in strukturschwachen Gegenden sind oft auf Dieselgeneratoren als einzige wetterunabhängige Stromquelle angewiesen. Der steirische Ingenieur Stefan Strein möchte das ändern und hat dafür ein innovatives Kleinwasserkraftwerk entwickelt.
Von außen sieht Stefan Streins Kleinwasserkraftwerk aus wie ein gewöhnlicher Schiffscontainer. Aus gutem Grund: „Einen normierten Container kann man für wenige tausend Euro um die ganze Welt schicken“, erklärt Strein. Im Inneren dieses Containers verbirgt sich Streins Erfindung, die Doro-Turbine. „Doro“ steht für Doppelrotation: Denn nicht nur die Turbine selbst dreht sich, sondern auch die einzelnen Schaufelblätter. Das macht es möglich, selbst bei niedrigen Fallhöhen noch Strom zu erzeugen. Ende des Jahres muss das ContainerKraftwerk einen Feldtest im steirischen Wörth an der Lafnitz bestehen, dann sollen die ersten Exemplare verschifft werden – nach Indien, Vietnam und Thailand.
7. DER KOMPOSTIERBARE ÖKO-AKKU
Was: ein Energiespeicher aus nachwachsenden Rohstoffen
Wer: Engelbert Portenkirchner, Institut für Physikalische Chemie, Uni Innsbruck
Warum: Herkömmliche Akkus brauchen Lithium, doch dieser Rohstoff ist endlich, und seine Gewinnung belastet die Umwelt. Sind sie einmal abgenutzt, müssen Lithium-Akkus zum Sondermüll. Portenkirchners Batterien funktionieren dagegen mit nachhaltig zu gewinnenden und recyclierbaren Rohstoffen.
Es steckt in jedem Akku und damit auch in jedem Handy oder Elektroauto: Lithium. Dabei ist dieses Metall schwer zu gewinnen und genauso schwer zu entsorgen. Engelbert Portenkirchner entwickelt deshalb eine umweltfreundlichere Batterie. „Wir arbeiten mit Substanzen wie Sauerstoff, Kohlenstoff und Salz – all das ist reichlich vorhanden und leicht zu entsorgen.“ Der Knackpunkt sind die Elektroden, die die beiden Pole der Batterien bilden. „Für die suchen wir nach neuen, optimierten Substanzen.“ Experimente zeigen, dass die ÖkoAkkus genauso leicht und leistungsfähig sein können wie LithiumBatterien. Voll funktionsfähige Prototypen will Portenkirchner schon mittelfristig testen.
Mit überschüssiger Windkraft schichten mächtige Kräne schwere Betonquader zu einem hohen, babylonischen Turm auf. Die Energie wird in windstillen Zeiten abgegeben.
Die kalifornische Firma Idealab errichtete nach diesem Prinzip eine erste Testanlage in der Schweiz
8. SMALL IS USEFUL
Was: Viele kleine Windräder sind effizienter als ein großes Windrad.
Wer: Prof. Peter Dalhoff, Projektleiter XMultirotor an der HAW Hamburg (Hochschule für Angewandte Wissenschaften)
Warum: niedrigere Errichtungs- und Wartungskosten, geringer Materialaufwand, geringere Defektanfälligkeit – und das bei besserer Energieausbeute.
Sechs kleine Windräder, geschickt angeordnet: Das Modell der HAW Hamburg war Blickfang am Messestand der Hamburger Wind Energy Fair 2018. Für Projektleiter Peter Dalhoff ist eine Serienreife in fünf bis zehn Jahren denkbar, weil die Vorteile (siehe Warum?) überwiegen. Das aktuelle Leistungslimit von 10 Megawatt (Strombedarf von etwa 7.000 Haushalten/Jahr) pro Windrad erreichen aktuell offshore nur Solo-Varianten, deren Flügellänge bereits knapp 200 Meter beträgt. In der Forschung angedachte 20-Megawatt-Varianten sind von Materialaufwand und Statik kaum mehr zu bändigen: Der Rotordurchmesser läge bei etwa 280 Metern, speziell bei selektiven Windverhältnissen riskant groß.
9. SOLARPARK DER SUPERKLASSE
Was: die größte Solaranlage der Welt
Wer: die ägyptische New and Renewable Energy Authority (NREA) und ein Konsortium aus 13 Unternehmen
Warum: In Sachen Energie ist Ägypten abhängig von fossilen Brennstoffen, obwohl der Wüstenstaat beste Voraussetzungen für die großflächige Nutzung von Solarenergie hat. In Benban, 650 Kilometer südlich von Kairo, wird das Potenzial nun großflächig genutzt.
Benban liegt im Süden Ägyptens, unweit des riesigen Assuan-Staudamms, doch im Gegensatz zu diesem ist der neue Photovoltaik-Park kein staatliches Großprojekt: Auf dem 37 Quadratkilometer großen Gelände können Unternehmen ihre eigenen Parzellen kaufen, um Wüstensonne in Strom zu verwandeln. Im März 2018 ging der erste Abschnitt ans Netz, Ende Februar 2019 waren schon 30 Prozent mit Photovoltaik-Anlagen verbaut. Ist erst einmal die ganze Anlage in Betrieb, soll sie eine Leistung von 1.650 Megawatt bringen – vergleichbar mit einem großen Atomreaktor. Das würde den Solarpark von Benban zum größten der Welt machen.
10. WINDKRAFT AUF VORRAT
Was: Energie für Zeiten der Flaute
Wer: TechnologieInkubator Idealab
Warum: Windräder liefern Strom je nach Wetterlage. Energy Vault kann die Energie speichern, wenn sie anfällt, und abgeben, wenn sie gebraucht wird. Damit werden unberechenbare Energiequellen zum verlässlichen Bestandteil einer nachhaltigen Stromversorgung. Die Idee stammt aus den USA, die erste Testanlage entstand in der Schweiz.
Wenn Windräder mehr Strom liefern als aktuell verbraucht wird, fließt der Strom zu einem „Energy Vault“, also in ein „Energie-Lager“. Mit der überschüssigen Windkraft schichten mächtige Kräne schwere Betonquader zu einem hohen, babylonischen Turm auf. Lässt der Wind nach, werden die Gewichte wieder zu Boden gesenkt, das treibt Stromgeneratoren an. Das Prinzip ist von Pumpspeicherkraftwerken bekannt, die Energie-Türme können jedoch auch in flachen Weltregionen zum Einsatz kommen. Präsentiert wurde das Konzept im November 2018, inzwischen hat das kalifornische Start-up-Unternehmen in der Tesssiner Gemeinde Arbedo-Castione eine Testanlage errichtet. Nach Berechnungen von Energy Vault erlaubt ein 120 Meter hoher Turm errichtet aus Betonblöcken die Speicherung von 35 MWh an elektrischer Energie. Übersetzt in den Alltag heißt das: Damit lassen sich 2000 bis 3000 Wohnungen für acht Stunden mit Strom versorgen.
Dieser Artikel erschien erstmals im Terra Mater Magazin 4/2019.

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