Wildtiere in Gefangenschaft – ist das OK?

Die Position der Weltnaturschutzunion IUCN ist unmissverständlich. Sie anerkennt die Notwendigkeit von selbsterhaltenden Populationen in Gefangenschaft, um „den Verlust vieler Arten zu vermeiden, besonders jener erheblich gefährdeten Arten, die in stark verkleinerten, fragmentierten und gestörten Habitaten leben“.
Der Direktor des Wiener Tiergartens Schönbrunn, Stephan Hering-Hagenbeck, argumentiert in die gleiche Richtung. Er antwortet in einem Terra Mater-Interview auf die Frage, welchen Sinn es hat, Wildtiere einzusperren und auszustellen, so: „Zunächst zeigen wir Tiere in zoologischen Gärten, damit sie als Botschafter fungieren für ihre wild lebenden Artgenossen, die zum Teil hochgradig bedroht sind oder gar keinen Lebensraum mehr haben.“ Und, so Hering-Hagenbeck: „Wir müssen unseren Job so gut machen, dass sich die Tiere wohlfühlen und das resultierende Tiererlebnis die Besucher nachhaltig begeistert.“
Verantwortung für das Tier
Eine Strategie, die Schönbrunn und auch viele andere Zoos weltweit erfolgreich verfolgen. Doch viele Tiere eignen sich aufgrund ihrer Lebensgewohnheiten kaum für die Haltung in unfreier Natur, auch dann nicht, wenn wir Menschen in bester Absicht handeln.
Delphine sind eine solche Spezies. Selbst üppig dimensionierte Aquarien sind ungeeignet für diese Tiere: Sie bieten ihnen trotzdem zu wenig Platz, um täglich jene Strecken zurückzulegen wie im Ozean auf der Jagd nach Nahrung. Sie geben ihnen trotz tiefer Becken zu wenig Raum, um komplexe und hochemotionale soziale Bedürfnisse ausleben zu können. Und es gibt trotz intensiver Betreuung zu wenige intelligente Herausforderungen, um sie artgerecht zu beschäftigen.
Der Enkel des bekannten Meeresbiologen Jaques Cousteau, Fabien Cousteau, beantwortet die Frage nach der Moral von Meeresaquarien in einem Gespräch mit dem Magazin Quartz entschieden: „Aquarien, in denen gefangene, gesunde Wale, also etwa Delphine, leben, lehne ich entschieden ab. Aber wenn das Aquarium Tiere beherbergt, die durch menschliche Aktivitäten dauerhaft verletzt wurden - zum Beispiel in Netzen gefangen wurden, von Booten angefahren wurden und so weiter – dann denke ich, dass wir eine Verantwortung haben, uns um das Tier zu kümmern.“
Beherbergt ein Aquarium Tiere, die durch menschliche Aktivitäten dauerhaft verletzt wurden, dann denke ich, dass wir eine Verantwortung haben, uns um das Tier zu kümmern.
Fabien Cousteau, Meereschützer und Dokumentarfilmer
Doch: Viele Delphinarien und Meeresaquarien ersetzen Verluste ihrer Bestände aus Wildfängen. Und: Sie sehen sich auch nicht als Sanctuary oder Auffangstation von Tieren in Not. Zudem wildert kein einziges Delphinarium Tiere aus Gefangenschaftszucht aus, um die Bestandserholung gefährdeter Populationen zu fördern.
Die fünf Freiheiten
Meeresaquarien mit Delphinpräsentationen oder Delphinarien, in denen diese Tiere Showprogramme absolvieren, beruhen auf einem anderen Geschäftsmodell: Die Tiere sind reine ticket seller. Und diese Einrichtungen sind kreativ, gilt es den Besitz der Tiere zu rechtfertigen: Wildfänge werden nicht als solche deklariert, zweifelhafte Forschungsprojekte werden vorgeschoben – etwa im Fall der Tümmler auch delphingestütze Therapien gegen diverse Krankheiten, für deren Wirksamkeit unbelegbar gibt.
Die World Organisation for Animal Health OIE misst tierisches Wohlergehen daran, wie diese mit ihren Lebensbedingungen zurechtkommen, und sie nennt „fünf Freiheiten“:
Freiheit von Hunger, Durst und Fehlernährung
Freiheit von Angst und Qual
Freiheit von physischem und thermischem Unbehagen
Freiheit von Verletzungen und Krankheiten
Freiheit, normale Verhaltensweisen ausleben zu können
Welche Freiheit bei Delphinhaltung fehlt, ist einfach zu erkennen.

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