Ein Wunder namens Kobudai

Als dieses Exemplar dem Fotografen in den Gewässern der Japanischen Präfektur Honshu vor die Linse schwamm, hatte es schon einiges hinter sich. Es war jahrelang in der felsigen Rifflandschaft unterwegs gewesen, hatte Beute gemacht, war Fressfeinden entkommen und hatte Nachwuchs gezeugt. In dieser Zeit war es auf seine hier sichtbare Länge von fast einem Meter herangewachsen. Seit rund drei Jahren wuchs ihm die markante Beule auf der Stirn.
Was auf dem Bild dieses stattlichen Männchens nicht zu erkennen ist: Es war die längste Zeit seines Lebens ein Weibchen. Als solches lebte es im Harem eines dominanten Männchens, ließ sich von ihm erobern und seine Eier von ihm befruchten. Doch irgendwann war das vorbei, das Weibchen legte einen inneren Schalter um – und von da an zirkulierten die Hormone in einer anderen Mischung in seinem Kreislauf.
Die Botenstoffe ließen ein markanteres Kinn wachsen und größere Lippen vorquellen. Vor allem aber entwickelte das Tier Hoden. Der weibliche Fisch verwandelte sich in einen männlichen. Damit bekam nun endlich die Beule auf der Stirn eine Funktion: Mit ihr rammen Männchen ihre Rivalen, wenn sie um Weibchen kämpfen.
Dieses Exemplar hat damit vielleicht den alternden Vater des eigenen Nachwuchses aus dem Revier vertrieben. Japanische Wissenschaftler haben jüngst 91 Kobudais untersucht und festgestellt, dass alle von ihnen als Weibchen zur Welt gekommen waren und sich nur eine Minderheit zu Männchen entwickelt hat.
Völlig unüblich sind solche Verwandlungen unter Fischen übrigens nicht. Rund 500 der 26.000 bekannten Arten ändern im Lauf ihres Lebens mindestens einmal ihr Geschlecht.
Besondere Merkmale des Kobdais
Knacker: Die Zähne sind optimiert für das Aufbrechen von Schalen- und Krustentieren.
Rammbock: Diese Beule beginnt dem Fisch im Alter von etwa sieben Jahren zu wachsen – als erster Schritt der Verwandlung vom Weibchen zum Männchen. Ist diese abgeschlossen, bekommt der „Bug“ eine Funktion: Er dient als Waffe im Kampf gegen Konkurrenten.
Steinalt: Im Gleichgewichtsorgan kullert ein kleines Steinchen herum. Wo es auf Untergrund triff, löst es Nervensignale aus. Damit kann das Tier seine Lage im Raum spüren. Die Besonderheit: Das Steinchen wächst wie eine Perle jährlich um eine Schicht und eignet sich damit zur Altersbestimmung.
Grosszügige DNA: Ob es nun ein Männchen oder ein Weibchen ist, hängt nur von seinem aktuellen Hormonmix ab. Bei Säugetieren ist das biologische Geschlecht unabänderlich in den Genen festgeschrieben.
Schlechter Fang: Kobudais gelten wegen ihrer fasrigenMuskeln als wenig appetitlich und werden daher nicht gezielt gefangen. Verfängt sich allerdings eines der bis zu 14 Kilogramm schweren Tiere im Netz, wird es im Hafen trotzdem gegessen. Weitertransporte oder gar ein Export lohnen sich aber nicht.
Doppelt fruchtbar: Betrachten Experten die Hoden eines Kobudais durch ein Mikroskop, erkennen sie an deren anatomischen Besonderheiten, dass hier einst Eier entstanden sind. Hat ein Männchen alle Nebenbuhler verscheucht, steigt es mit dem Weibchen zur Wasseroberfläche auf, wo sie laicht und er besamt.
Übersicht Kobudai – Semicossyphus reticulatus
Vorkommen | in den Gewässern um Japan, Korea, China |
Population | unbekannt |
Ordnung | Labriformes |
Familie | Lippfische |
Unterfamilie | Labridae |
Gattung | Semicossyphus |
Art | Semicossyphus reticulatus, auch bekannt als „Japanischer Schafskopf-Lippfisch“ |

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