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Kenia: Wie mächtige Staudämme den Turkanasee trockenlegen

Am Turkanasee im äußersten Norden Kenias begann vermutlich die Geschichte der Menschheit. Heute leben hier Hirten und Fischer, die weithin bekannt sind für ihren kreativen Körperschmuck. Doch ihre Welt ist bedroht.
Text: Kristen Milhahn, Fotos: Anne Ackermann / 10 Min. Lesezeit
Der Turkanasee ist der gewaltigste Wüstensee der Erde. Foto: Anne Ackermann
Der Turkanasee ist der gewaltigste Wüstensee der Erde.
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Gott lebt im See. Und der Ort, an dem er zuhört, liegt am flachen östlichen Ufer. Dort befindet sich der heiligste Ort der El Molo, eines Volks von Fischern, zahlenmäßig wohl die kleinste Ethnie Kenias. Eigentlich führe er nie Fremde dorthin, sagt Raphael Leiyapir, faltet die für seine schmale Statur viel zu kräftigen Hände vor der Brust und schüttelt den Kopf. „Zu gefährlich“, befindet er. „Wer Wakh verärgert, riskiert sein Leben.“ Der alte Mann ist wie die meisten Menschen in der Gegend Christ und zudem so eine Art Dorfpfarrer in der Strohhüttensiedlung Moite. Doch Wakh, die heidnische Konkurrenz, bringt dem Fischervolk Regen, heilt Krankheiten, sorgt für Frieden zwischen den Nachbarstämmen und für reiche Fischbestände.

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Kirchenmann Raphael Leiyapir. Foto: Anne Ackermann
Kirchenmann Raphael Leiyapir.

Wer Wakh verärgert, riskiert sein Leben.

Raphael Leiyapir, so eine Art Dorfpfarrer

Es kostet einiges an Überredungskunst, bis sich Leiyapir zu einer Ausnahme hinreißen lässt. „Aber fasst bloß nichts an.“ Über einen staubigen Pfad geht es von der Ebene, auf der das Dorf liegt, hinunter zum See. Windböen jagen Staubteufel vor sich her. Ein paar Hirtenbuben in ihren kunstvoll um den Leib drapierten bunten Umhängen, den Shukas, treiben Ziegen und Schafe von den Hängen zur Tränke an den See. Wortlos lupfen sie zum Gruß die Augenbrauen. Es herrscht Stille, durchbrochen nur vom Knirschen der Salzkruste, die unter Leiyapirs Schritten birst. Das Seewasser hat sie im Sand hinterlassen.

Wie viele Binnenseen Ostafrikas ist auch der Turkanasee salzhaltig. Fast 260 Kilometer lang, ist er der gewaltigste Wüstensee der Erde. Er liegt am Rande des Großen Ostafrikanischen Grabenbruchs – zum Großteil in Kenia, der nördlichste Zipfel in Äthiopien. Sein Frischwasser bezieht er zu 90 Prozent aus dem Fluss Omo, einem der wichtigsten Fließgewässer Äthiopiens.

Sein Unterlauf mündet in einem riesigen Delta in den See. Wegen ihrer Abgeschiedenheit galten das Omo-Tal und der Turkanasee lange als Randgebiet – Nomadenland, in dem kaum etwas zu holen war. Doch in den 1970er-Jahren rückte die Region ins Zentrum des Interesses: In seiner Mitte verortete man die „Wiege der Menschheit“, weil Paläoanthropologen wie Richard Leakey hier einige der ältesten Hominiden-Reste fanden. Das Tal und Teile der Gegend am See sind deshalb zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt worden.

Das nützt freilich nichts, wenn es um Geld geht: Große Bewässerungspläne und ein gewaltiges Staudammprojekt drohen dem größten Wüstensee der Welt allmählich das Wasser abzugraben und damit die Landschaft und das Leben für immer zu verändern.

Eine typische Dassanech-Hütte. Foto: Anne Ackermann
Eine typische Dassanech-Hütte.

An Wakhs heiligem Ort

Doch noch herrscht hier Wakh. Inmitten des vertrockneten Landstrichs eröffnet sich unvermittelt der Blick auf eine üppig-grüne Palmenoase. Ringsum wächst ein Grasteppich, so dicht und saftig, dass er wohl mit jedem englischen Rasen mithalten könnte. „Nasai“, flüstert Leiyapir ehrfürchtig. In seiner Sprache bedeutet das so viel wie „der Platz, an dem Gott lauscht“. In respektvollem Abstand bleibt er an einem schmalen Ziegenpfad stehen. Der führt wie eine Grenzlinie um den heiligen Ort. „Selbst die Tiere halten Abstand.“ Wakh höchstpersönlich sorge dafür, dass Nasai nie austrocknet, auch in der allergrößten Hitze nicht. Das wisse jeder in der Gegend; und auch dass man sein Leben riskiert, wenn man die Palmen streift.

„Zuletzt hat es ein Dutzend Fischer von der anderen Seite des Sees erwischt“, erzählt Leiyapir. Turkana, die nachts mit ihren Booten an Wakhs heiligem Ort anlandeten und aus den Palmblättern von Nasai Tragekörbe für die gefangenen Fische flochten. „Wakh hat sie dafür kurzerhand nachts mit ihren eigenen Booten erschlagen.“ Am Morgen seien sie alle am Strand gelegen, gleich neben ihren zerstörten Kanus.

Höchstens 1.500 Menschen vom Volk der El Molo leben heute noch am Turkanasee und mit ihnen eine Handvoll Hirtenstämme. „Rudolfsee“ (nach Kronprinz Rudolf von Österreich-Ungarn) nannte ihn zuerst sein österreichisch-ungarischer Entdecker Graf Sámuel Teleki von Szék. Nach dem Ende der Kolonialzeit hat ihn die kenianische Regierung umbenannt – nach den Turkana, der größten am See ansässigen Volksgruppe.

Trockenübungen am Seeufer. Foto: Anne Ackermann
Trockenübungen am Seeufer.

Der Wind frischt auf. Er fegt jetzt über die heilige Oase, reißt an den Palmwedeln. Über dem See brauen sich Wolken zusammen und verdunkeln die Sonne. „Wakh ist zornig“, meint Raphael Leiyapir, „schon seit einer ganzen Weile.“ Dann dreht er sich um und geht die rund 200 Meter über das vom Salz gebleichte Ufer hinunter zum See. „Vor drei Jahren spülten um diese Zeit des Jahres hier noch die Wellen“, murmelt er im Gehen. „In der Regenzeit schlugen sie manchmal fast bis an die Oase heran. Doch in den letzten Jahren hat sich das Wasser immer weiter zurückgezogen.“ Woran das liege? Er deutet mit ausladender Handbewegung in Richtung Norden. „Geht, sucht dort.“

Im Norden mündet der Omo, die Lebensader Südäthiopiens, in den Turkanasee. Doch seit Jahren kommt immer weniger Wasser nach. Der Grund: Das Nachbarland Äthiopien versucht, seinen steigenden Energiebedarf mit Wasserkraftwerken zu decken. Der Plan sieht darüber hinaus vor, von Rohölimporten mittelfristig unabhängig zu werden und durch Energieexporte den Grundstein für die Industrialisierung zu legen.

Am Oberlauf des Flusses sind zwei Staustufen – Gibe I und Gibe II – bereits in Betrieb. 2015 wurde mit Gibe III die mit 243 Metern höchste Staumauer Afrikas fertiggestellt. Nun ist der Omo dabei, das Staubecken zu füllen, nur 30 Prozent des Wassers dürfen vorläufig weiterfließen. Erst wenn der Stausee voll ist, wird der Omo flußabwärts der Staumauer wieder annähernd so viel Wasser führen wie zuvor. Und dann geht das Spiel von vorn los: In der Nähe des Omo-Mündungsdeltas plant die äthiopische Regierung bereits zwei weitere Staudämme: Gibe IV und V.

Noch gravierendere Auswirkungen auf Fluss und See haben jedoch die Bewässerungsvorhaben, die Äthiopien derzeit großflächig im Omo-Tal umsetzt. In gigantischen Planquadraten wächst dort auf 150.000 Hektar Zuckerrohr. Für das staatliche Zuckerprojekt haben Bagger große Teile des Omo- und Mago-Nationalparks sowie das Tama-Wildlife-Reservats planiert. Zieht die Regierung ihre ehrgeizigen Pläne durch, soll die Anbaufläche noch weiter wachsen – auf etwa 245.000 Hektar.

Karges Land am Turkanasee. Foto: Anne Ackermann
Karges Land am Turkanasee.

Fatale Folgen für den Turkanasee

Manche Schätzungen gehen sogar von bis zu 445.000 Hektar aus, bezieht man jene Flächen mit ein, die für ausländische Investoren vorgesehen sind. Für den Export sollen in großem Stil Baumwolle, Palmöl und Mais für Biotreibstoffe angebaut werden – trotz der Hungersnöte im Land. Noch ein Widerspruch: Äthiopien zählt zu den trockensten Ländern dieser Erde, Zuckerrohr und Baumwolle gehören jedoch zu jenen Kulturpflanzen, die das meiste Wasser brauchen. Ein Drittel des Omo-Wassers soll bis 2024 allein für die staatliche Landwirtschaft aus den Staubecken der Wasserkraftwerke abgepumpt werden.

Für den Turkanasee hätte das fatale Folgen. Laut einer Studie der Universität Oxford würde der Seepegel im besten Fall um 13 Meter sinken, das Wasservolumen des Sees auf 59 Prozent seines heutigen Stands fallen. Bei ineffizienter Wassernutzung würde der Pegel hingegen um 22 Meter fallen, die Effekte von Verdunstung und Klimawandel noch nicht mit eingerechnet. Bedenkt man, dass der See im Durchschnitt gerade einmal 30 Meter tief ist, käme das einer schleichenden ökologischen und sozialen Katastrophe gleich: Es drohen Wassermangel und Ernteausfälle, Viehsterben, versalzte Böden, Hunger und Landflucht. Einiges davon könnte sich schon bald schmerzlich bemerkbar machen, vor allem im Delta mit seinen Flachwasserbereichen.

Dort liegt das Fischerdorf Selicho. Braunes Buschland, so weit der Blick reicht, dazu sengende Hitze und viel Staub. Eine Handvoll Dassanech-Nomadenfamilien aus dem Omo-Tal hat vor gut zehn Jahren hier ihre Rundhüttenzelte aufgestellt. Viele sind inzwischen sesshaft und Fischer geworden, weil sich in Selicho damit mehr Geld verdienen ließ.

Am Seeufer steht ein Lastwagen. In seinem Schatten hocken drei Männer auf gelben Plastikkanistern und warten. Einer von ihnen ist Mike Shikuku, Fischhändler aus der Hauptstadt Nairobi. Drei Tage braucht er mit seiner Wagenladung Eis, um die fast 900 Kilometer nach Selicho zu schaffen – wenn er Glück hat und der Truck nicht in Schlamm oder Treibsand steckenbleibt, denn nach etwa der Hälfte der Strecke ist Schluss mit asphaltierten Straßen. Eine Tortur, die er bislang in Kauf genommen hat, weil er hier die besten Tilapien und Nilbarsche in ganz Kenia kaufen kann. Oder besser: konnte. „Die guten Zeiten sind vorbei“, sagt Shikuku und macht eine wegwerfende Handbewegung.

Trinkflaschen der Einheimischen. Foto: Anne Ackermann
Trinkflaschen der Einheimischen.

Er selbst sei vor ein paar Jahren hier am Ufer noch mit zehn anderen Fischtransportern aus Nairobi gestanden. „Vier, fünf fette Nilbarsche haben mir die Dassanech am Tag verkauft, jeder locker 80 bis 90 Kilo schwer. In drei, vier Tagen hatte ich meinen Truck voll. Heutzutage bringen sie mir fünf mittelgroße Tilapien am Tag.“ Seit zwei Wochen sitze er nun schon am See. Mehr als die Hälfte des Eises sei ihm bereits weggeschmolzen, sagt er und deutet auf das stinkende Rinnsal, das aus dem Frachtraum tropft. Morgen müsse er los, sonst

würden ihm die paar Fische, die in seinem Laster auf Kühlung liegen, auch noch verderben. Die meisten seiner Kollegen aus der Hauptstadt hätten deshalb mittlerweile aufgegeben. Ob er plant, noch einmal nach Selicho zu kommen? „Eher nicht.“

An einer anderen Stelle des Seeufers legt währenddessen ein Fischerboot an. Ein paar Männer springen aus dem Kahn ins seichte Wasser, hieven einen mächtigen, silbrig schillernden Fischleib über die Bordwand und schleifen ihn an Land. Es ist ein Prachtexemplar von einem Nilbarsch, wie ihn die Fischer in Selicho kaum noch fangen. Anderthalb Meter lang, an die 70 Kilo schwer. „Reiner Glücksfall“, lacht Arbolo Yierite Salle. Dem Dassanech gehören das Boot und der Fang. Für Letzteren musste er tief ins Delta auf die äthiopische Seite fahren. Er riskiere dabei, von anderen Fischern überfallen zu werden, sagt er. Wegen der schlechten Fangzahlen machen sich die Fischer mittlerweile gegenseitig Netze und Fänge streitig.

Am Ufer beginnen die Männer sofort, den gewaltigen Fischleib auszunehmen und zu zerlegen. Die guten Filetstücke will Salle Äthiopiern verkaufen, die würden besser zahlen. Mit dem Erlös werde er eine Weile um die Runden kommen. Wovon er jedoch seine Familie ernähren soll, wenn in Selicho die Fischereiwirtschaft zusammenbricht, weiß er nicht. Weggehen vielleicht. Aber wohin?

Die Frauen tragen das Holz traditionell am Kopf nach Hause. Foto: Anne Ackermann
Die Frauen tragen das Holz traditionell am Kopf nach Hause.

Für Kenias Regierung zählt die Gegend um den Turkanasee zum Hinterland. Während sich der Rest des Landes rasant entwickelte, blieb der Norden Nomadenland ohne Infrastruktur. Bis auf ein paar Ortschaften im Westen und Süden gibt es keine Straßen, keinen Strom, keine Spitäler und kaum Geldwirtschaft. Die wenigen von ausländischen Hilfsorganisationen gebauten Schulen stehen leer, weil die Hirten ihre Kinder eher zum Viehhüten schicken als in die Schule. Bis zu 85 Prozent der Menschen leben hier weit unterhalb der Armutsgrenze, die meisten sind Analphabeten.

Umstrittenes Wasserkraftprojekt

Der Staudamm von Gibe gehört heute zu den umstrittensten Wasserkraftprojekten der Erde. Doch ausgerechnet die Regierung Kenias hat bisher nicht dagegen protestiert. Vor Baubeginn der Talsperre gab es keine Verhandlungen mit Äthiopien, lediglich eine Grundsatzvereinbarung. Darin steht, dass Kenia künftig Strom aus dem Nachbarland beziehen kann. Einer der berühmtesten Kritiker des Projekts ist der kenianische Paläoanthropologe Richard Leakey.

Er wirft der äthiopischen Regierung vor, den Bau von Gibe III ohne adäquate Gutachten zur Umwelt- und Sozialverträglichkeit begonnen zu haben. Nach Baubeginn durchgeführte Prüfungen, die „bloß minimale Auswirkungen auf Umwelt und Bevölkerung“ feststellten, hätten bloß äthiopisches Territorium untersucht, den Turkanasee aber bewusst ausgelassen.

Die Weltbank, die sich einst an dem Bauvorhaben beteiligen wollte, lehnte in der Folge die Mitfinanzierung des Dammprojekts ab. Auch die Europäische Investitionsbank und die Afrikanische Entwicklungsbank zogen 2010 ihre Finanzierungszusagen zurück. Doch prompt sprangen die Chinesen ein. Ein Großteil der Bauarbeiten wurde von Chinas größter Bank, der Industrial and Commercial Bank of China (ICBC), finanziert.

Die Einwohner des Turkanasees

Richard Leakey sieht klare Parallelen zu jenem schleichenden Drama, das sich zu Sowjetzeiten am Aralsee abgespielt hat. Bis vor 50 Jahren war er das viertgrößte Binnengewässer der Erde. Dann begannen die Sowjets, mit dem Wasser von zwei Zuläufen Baumwollfelder zu bewässern. Heute ist vom See kaum mehr als eine Salzwüste übrig. „In 30 oder 40 Jahren wird sich das am Turkanasee wiederholt haben“, sagt Leakey.

Raphael Leiyapir will davon nichts wissen. Er glaubt nicht an das Ende seines Stammes und schon gar nicht an das des Sees. Zum letzten Mal empfängt uns der El Molo – diesmal an der Dorfkirche. An diesem Sonntagmorgen ist das Zentrum von Moite noch menschenleer. Leiyapir schickt sich an, die heilige Messe vorzubereiten, die er gleich zelebrieren wird. Sonnenstrahlen fallen durch das bunte Fensterglas auf die Wände des Kircheninnern. Sie haben das gleiche lichte Blau wie der See.

Er werde über Gott sprechen und über Wakh, sagt der Pfarrer und stützt sich mit einer Hand auf die Kanzel, deren Unterbau aus der Wurzel eines Zahnbürstenbaumes besteht – eines Baums, der den El Molo heilig ist. „Wakh wird nicht zulassen, dass wir mit dem Ende der Welt leben müssen“, sagt Leiyapir.

Dann herrscht plötzlich Stille in der Kirche. Nicht einmal der Wind ist noch zu hören. Die Lippen des El Molo sind ganz schmal geworden, seine Augen glasklar. „Äthiopien mag zwar ein mächtiges Land sein, aber Wakh ist allmächtig“, sagt er. „Gegen den Gott des Sees wird es nichts ausrichten können.“ Seine Worte klingen fast wie eine Drohung.

Ein Hirtenjunge hütet seine Herde. Foto: Anne Ackermann
Ein Hirtenjunge hütet seine Herde.

Warum die Wiege der Menschheit verkommt

  • Der Sibiloi-Nationalpark am Ostufer des Turkanasees gilt wegen seiner anthropologisch bedeutsamen Funde als Wiege der Menschheit und als Nationalerbe des Landes. Auf Kamelen zog der kenianische Paläoanthropologe Richard Leakey mit seinen Forscherteams in den 1960er- und 1970er-Jahren durch die Wüstenlandschaft am See. Es gelang ihm, die Überreste von fünf Hominidenarten auszugraben, unter anderem Homo habilis, Homo rudolfensis und Homo erectus. Koobi Fora, die wichtigste Ausgrabungsstätte, wurde schnell weltberühmt. Auf Leakeys Druck wurde sie von der kenianischen Regierung 1973 unter Schutz gestellt; seit 1997 gehört der Ort zum UNESCO-Weltkulturerbe. Leakey träumt bis heute davon, einmal eine multimediale „Kathedrale“ an den Turkanasee zu stellen, damit der Ursprung der Menschheit gebührend gefeiert werden kann. Doch weil sich kaum Touristen in die abgelegene Region verirren, blieb das Projekt bis jetzt Vision.

  • Eigentlich sollten sich die staatlichen Museums- und Naturschutzbehörden um die Ausgrabungsstätten kümmern, doch diese rotten buchstäblich vor sich hin. Das Volk der Dassanech, zu dessen Territorium der Park einst gehörte, hat sich große Teile zurückerobert und verteidigt die Weidegründe mit Waffengewalt. Wilderer erledigten den Rest. Der Park war einst berühmt für seine Vielfalt an Großwild. Heute finden sich bloß ein paar versprengte Zebras, Topi- und Grant-Gazellen auf einem überschaubaren Flecken rund um das Ranger-Lager am Seeufer.

  • Das Museum von Koobi Fora ist ein trauriger Anblick – besonders wenn man drinnen ist: Die Skelettreplikate sind von Spinnweben überzogen und von Käfern zerfressen, über allem liegt eine Patina aus Staub. Es stinkt penetrant nach Rattenpisse.

  • Die seltenen Schaufunde im Park sind in einem noch erbarmungswürdigeren Zustand. Der Panzer einer 1,6 Millionen Jahre alten Landschildkröte etwa, den Leakeys Leute einst freilegten und überdachten, ist zerbrochen. Die Schutzhütte wird von Hirten für ihr Vieh benützt. Vor fünf Jahren hat das Welterbe-Komitee der UNESCO einen Versuch unternommen, bei den Regierungen Kenias und Äthiopiens ein Gutachten über die Folgen von Staudamm und Bewässerung auf das Kulturerbe zu erwirken – es blieb beim Versuch. Die UNESCO hat Sibiloi und Koobi Fora inzwischen auf die Liste von „gefährdetem Weltkulturerbe“ gesetzt.

Diese Geschichte erschien erstmals im Terra Mater Magazin, Jänner 2017.

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