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Borkenkäfer: Bekämpfung aus dem All

Borkenkäfer profitieren von klimatisch bedingten Dürreperioden und bedrohen Wälder stärker als je zuvor. Das Rezept steirischer Forscher von Joanneum Research heißt Früherkennung der Plagegeister aus dem All.
Text: Robert Sperl / 3 Min. Lesezeit
Borkenkäfer Bekämpfung aus der Luft Foto: AdobeStock
Ips typographus. Der Buchdrucker, ein Vertreter aus der Familie der Borkenkäfer, ist der Hauptfeind der vom Klimawandel geschwächten Fichten.
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Der Name des Projekts von Joanneum Research Graz zur Bekämpfung des Borkenkäfers passt: BEAT IT!, Verschwinde!, enthält lautmalerisch nicht nur das englische Vokabel für Käfer, beetle, und das Kürzel IT für Informationstechnik. Er definiert auch das Ziel der Bemühungen: dem Insekt den Garaus zu machen.

Im Hauptfokus steht der Buchdrucker, eine Unterart in der Familie der Borkenkäfer. Dieses Insekt schädigt die Fichtenbestände, die Forstwirtschaft in ganz Mitteleuropa leidet. Was dem Buchdrucker in die Hände spielt, sind ausgeprägte Fichten­-Monokulturen und die durch den Klimawandel immer häufigere Trockenheit. Gesunde Fichten beherrschen Gegenstrategien zur Käferabwehr: Sie sondern Harz ab, das auf die Insekten toxisch wirkt. Wassermangel schwächt die Bäume jedoch, die Borkenkäfer treffen auf geringeren Widerstand. Das Rechenbeispiel des Bundesforschungszentrums für Wald ist unheimlich: Bei 50 Nachkommen pro Weibchen und einem Weibchenanteil von 50 Prozent entwickeln sich aus einem Weibchen in der ersten Tochtergeneration 50, in der zweiten 1.250 und in der dritten 31.250 Käfer. Und: Durch Trockenheit und längere Vegetationsperioden entwickeln sich jährlich zwei bis drei statt bislang ein bis zwei Generationen.

Präzise Satellitendaten gegen Schädlinge

Befallene Bäume müssen üblicherweise mühsam aus der Nähe identifiziert werden, durch verfärbte Kronen, Bohrmehlspuren und abgefallene Rinde. Mit Lockstofffallen wird punktuell die Entwicklung der Käferpopulationen überwacht. BEAT IT! reduziert den Arbeitsaufwand im Wald beträchtlich und liefert flächige Infos zum aktuellen Käferbefall. Basis sind Bilddaten des ESA-­Erdbeobachtungsprogramms Copernicus, speziell der Satelliten „Sentinel­2A“ und „Sentinel­2B“, die die Erde in rund 800 Kilometer Höhe umkreisen.

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beat it borkenkäfer Foto: Joanneum Graz
Demo eines Borkenkäfer-Monitoring Prototyps auf Basis von Sentinel-2 (rot: Borkenkäferbefall)

Die Bilder werden in 13 Spektralbändern (im sichtbaren und im Infrarotbereich) aufgenommen. Das erlaubt mittels statistischer Zeitreihenmodelle eine präzise Interpretation, so Mag. Janik Deutscher, Spezialist für Fernerkundung und Geoinformation bei Joanneum Research. „Der Algorithmus kann unterscheiden: Ist hier nur Trockenstress erkennbar oder zeigen die Bilder bereits vom Käfer befallene Bäume? Handelt es sich bei den detektierten Anomalien um Käferschäden oder andere Waldänderungen, etwa Sturmwurf oder normalen Holzeinschlag?“ Vor allem eines will man möglichst früh herausfinden: Wo stehen befallene, geschwächte Stämme im Umfeld noch gesunder Bäume, von denen Käferkolonien ihre nächste Offensive starten?

Weil die Satellitendaten präzise – ein „Sentinel-2“-Pixel entspricht 10 × 10 Metern – und deshalb voluminös sind, werden sie auf einem Cloud-Server geparkt, dort bearbeitet und zu einer digitalen Karte komponiert: Diese können Forstwirte künftig vor Ort bei Bekämpfungs- und Schlägerungsarbeiten einsetzen, abrufbar bequem via Tablet. Zusammen mit IT-Spezialist Cloudflight entstehen Software-Lösungen für Big Data und die Cloud-Umgebung. Zur Feinabstimmung der Daten aus dem All müssen die Forscher jedoch auch in den Wald: Dafür kooperiert BEAT IT! mit dem Waldviertler Forstbetrieb Seilern-Aspang und den Bundesforsten.

Die BEAT-IT!-Software wird auf dem Tablet serviert. Sie erlaubt es Forstverantwortlichen, den Borkenkäferbefall bequem via Internet abzurufen und vor Ort präzise einzugreifen.

So wird BEAT-IT! von Joanneum Reserach in der Praxis verwendet

Auch wenn Buchdrucker für einen Großteil der Schäden verantwortlich sind: „Wir detektieren auch Auswirkungen des Kupferstechers oder Schäden an Kiefern, wo wieder andere Borkenkäfer aktiv sind“, so Mag. Deutscher. „Eine Unterscheidung der Käfer nach Gattung oder Art ist über Satellitenbilder aber unmöglich.“

BEAT IT! liefert als Weiterentwicklung des Joanneum-Waldmonitoring-Systems AlpMon zwei Dienste: ein Beinahe-Echtzeit-System zum Auffinden und Typisieren von Waldschäden und eine Risikokarte zum Borkenkäferbefall, die potenziell gefährdete Bestände aufzeigt. Dazu sind neben meteorologischen Daten auch Informationen zu diversen Forstparametern nötig (Baumart, Waldtyp, Beschirmungsgrad), die zu einem Großteil ebenfalls aus Satellitenbildern extrahiert werden können. Ist im Sommer 2022 der Prototyp der Software fertig, können beide Dienste via Internet aufgerufen werden. BEAT IT! liefert dann eine zentrale Karte zum aktuellen Borkenkäferbefall, die – abhängig vom Wetter – im Idealfall alle fünf, sechs Tage aktualisiert wird.

Weitere Einsatzmöglichkeiten liegen auf der Hand, da die „Sentinel“-Satelliten bis auf wenige Polar- und Meeresregionen den gesamten Globus abdecken. In Uganda realisieren Joanneum Research und Projektpartner Cloudflight bis Ende Juni 2022 das Projekt REACTIFI. Dieses soll überprüfen, ob sich Länder an jene Auflagen halten, die das von der UNO unterstützte Klimaschutzprogramm REDD+ vorgibt. Wer seine Wälder pflegt und schützt, den belohnt REDD+ finanziell: Solides und automatisiertes Monitoring aus der Luft liefert dafür die entscheidenden Daten.

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