Eine Frage des Glaubens: Wer war Jesus?

1. Hat Jesus wirklich existiert?
Es genügt, seinen Namen zu erwähnen, schon entsteht bei den Menschen ein Bild im Kopf. Jesus von Nazareth: der bärtige Mann mit den langen Haaren, der nicht mehr besitzt als das wallende weiße Gewand, das er am Körper trägt, und seine Sandalen, in denen er durch das Heilige Land zieht. Doch je weiter man dieses Bild zurückverfolgt, desto verschwommener wird es. Kein von Jesus selbst geschriebenes Wort ist überliefert, geschweige denn eine zeitgenössische Beschreibung seines Aussehens. Selbst in den äl-testen Quellen zeigt sich, „dass wir nicht dem historischen Jesus begegnen, sondern Jesusbildern, gestalteten Erinnerungen“, formulierte es der Theologe Gerd Theißen. Zum ersten Mal schriftlich erwähnt wird Jesus in den Paulusbriefen –doch Paulus war ihm nie begegnet und schrieb den ersten seiner Briefe 20 Jahre nach dem Kreuzestod. Noch später entstanden die vier Evangelien, bei denen Experten noch heute darüber debattieren, wer von wem abgeschrieben hat.
Jesus sei nur eine literarische Figur, folgerten schon französische Philosophen der Aufklärung. Heute sind davon laut einer aktuellen Umfrage immerhin 21 Prozent der Österreicher überzeugt. Und im Jahr 2015 verkündete in den Niederlanden sogar ein calvinistischer Priester medienwirksam, dass Jesus nie existiert habe.




„Im Endeffekt könnte man das über viele historische Figuren der Antike sagen“, sagt Markus Öhler, Vorstand des Instituts für Neutestamentliche Wissenschaft an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien. Zum Beispiel über den Philosophen Sokrates, für den es noch viel weniger Belege gibt. Selbst unter Religionsgründern ist Jesus nicht allein: Die Geschichtenüber Siddhartha Gautama (Buddha) wurden erst nach dessen Tod gesammelt; und auch bei Mohammed sind zeitgenössische Belege so rar, dass einzelne Historiker seine Existenz bezweifeln.
Unser Bild von der Person Jesu mag vielleicht verschwommen sein, doch dank Schrift-zeugnissen und archäologischen Funden sehen wir heute seine Umgebung immer schärfer: das ländliche Palästina der Römerzeit. Sollte der Wanderprediger Jesus von Nazareth also eine fiktive Figur sein, dann ist sie allemal gut erfunden – denn sie passt perfekt in diesen Kontext.
2. Wer war der Mensch Jesus von Nazareth?
In den Evangelien heißt es, dass der Klientelkönig Herodes der Große herrschte, als Jesus in Galiläa geboren wurde. Das Problem: Herodes starb vier Jahre vor Christi Geburt. Darum nehmen Historiker heute an, dass Jesus eher in den Jahren7 bis 4 vor unserer Zeitrechnung zur Welt kam.
Auch am Geburtsort Bethlehem gibt es berechtigte Zweifel: Nach jüdischer Prophezeiung sollte der Messias aus Bethlehem kommen, der Stadt von König David. Doch eine Volkszählung ist für diese Zeit nicht belegt. Wahrscheinlicher ist, dass Jesus dort geboren wurde, wo er aufwachsen sollte: in Nazareth, damals ein verschlafenes Dorf in Galiläa mit ein paar hundert Einwohnern.
Als Muttersprache lernte der junge Jesus Aramäisch. Nach neuesten Erkenntnissen könnte er auch das nah verwandte Hebräisch gesprochen haben, das sich in den Hügeln Galiläas bis zu seiner Geburt erhalten hatte. Dass er Griechisch konnte, die Sprache des Neuen Testaments, ist hingegen unwahrscheinlich. „Jesus“, die griechische Version seines Namens, dürfte ihm fremd gewesen sein. Seine Familie – er hatte nach dem Neuen Testament mehrere Brüder und Schwestern – nannte ihn eher Jeschua oder Jeschu, die Kurzform des Namens Jehoschua.
Heute ist das Christentum die größte Weltreligion. Kurz nach der Kreuzigung hätte das wohl kaum jemand prophezeit: Jesus war nicht der einzige charismatische Heiler seiner Zeit.
Raffael Fritz, Autor Terra Mater
Jeschuas Schulbildung bestand bestenfalls aus dem Studium der Thora in der örtlichen Synagoge, falls das Dörfchen Nazareth überhaupt eine hatte. Und wie es damals Sitte war, erlernte er den Beruf seines Vaters Josef, der im Neuen Testament als tekton bezeichnet wird, als Zimmermann oder Bauarbeiter. Doch: „Die Römer verwendeten den Begriff tekton umgangssprachlich für jeden ungebildeten, analphabetischen Kleinbauern“, schreibt der amerikanische Religionswissenschaftler Reza Aslan, „und Jesus war sehr wahrscheinlich beides.“
War Jeschua auch verheiratet? Nicht erst seit Dan Browns „Sakrileg“ wird darüber diskutiert, allerdings deutet in den Quellen nichts darauf hin. Historiker hegen schon lange den Verdacht, dass Frauen in der Jesus-Bewegung eine wichtigere Rolle spielten, als ihnen später zu-gestanden wurde – besonders Maria Magdalena. Doch es gibt nicht den geringsten Hinweis darauf, dass die beiden ein Ehepaar waren oder dass Jesus eine Frau zurückließ, als er Nazareth in seinen späten Zwanzigern den Rücken kehrte.
3. Was bewog Jesus dazu, ein Wanderprediger zu werden?
Als Jesus loszog, war die politische Lage in Galiläa gerade relativ ruhig. Ein paar Jahrzehnte vorher hatte es noch blutige Aufstände gegen die Römer gegeben; mehrere Rebellenführer hatten sich sogar zum Messias erklärt, dem „Gesalbten“, der die Juden vom römischen Joch befreien würde. Doch mittlerweile hatte sich die jüdische Oberschicht mit der Besatzungsmacht arrangiert. Das Leben ging weiter, und die Bevölkerung wuchs– vor allem in den hellenistischen Zentren wie Sepphoris und Tiberias. Doch die jüdische Bevölkerung mied diese Städte als unrein, und auch Jesus hat sie laut Neuem Testament nie besucht.





Auf dem Land herrschte Armut, immer mehr besitzlose Prediger zogen von Dorf zu Dorf, um Endzeitstimmung zu verbreiten und gegen Kost und Logis beim Jüngsten Gericht ein gutes Wort für den Spender einzulegen. Einer dieser „Wandercharismatiker“, wie sie heute genannt werden, war Johannes der Täufer. Mit ihm beginnt die Geschichte von Jesus im Markusevangelium, das wahrscheinlich das älteste ist. Wie aus dem Nichts taucht dort Jesus am Jordan auf und lässt sich von ihm taufen. Die Chance ist groß, dass diese Taufe wirklich stattfand: Es gab keinen Grund, sie zu erfinden. Im Gegenteil, sie passt eigentlich nicht zum Rest der Erzählung, so Theologe Markus Öhler: „Warum sollte sich der Sohn Gottes Johannes unterordnen – und wenn die Taufe zur Vergebung der Sünden dient, ist Jesus dann selbst ein Sünder?“
Warum Jesus an den Jordan kam, ob z-fällig oder geplant, ist unbekannt. Doch danach war er ein anderer. „Er ist von Sinnen“, sagen im Markusevangelium seine Brüder und Schwestern, als er sie wieder besucht. Seine plötzliche Wandlung können nicht einmal sie verstehen.
4. Was hat es auf sich mit den Wundern, die Jesus bewirkte?
Auch wenn seine Predigten nicht überall gut ankamen: Dass Jesus Kranke und Besessene heilen konnte, war damals unbestritten, selbst bei seinen Widersachern. Es gibt mehr historisches Material, das diese Wunder bestätigt, als über seine Kreuzigung. Beinahe ein Drittel des Markusevangeliums befasst sich mit Heilungen und Austreibungen. Das passt in eine Welt, in der Wunder alltäglich waren: Zur selben Zeit betete etwa auch der Tanna (Gelehrte) Chanina ben Dosa Kranke gesund, und der griechische Weise Apollonius von Tyana heilte Lahme und Blinde.Von anderen Heilern unterschied sich Jesus eher insofern, als er seine Dienste unentgeltlich anbot.
„Viele Heilungen und Exorzismen lassen sich heute psychologisch erklären“, so Theologe Markus Öhler. Die Macht der Suggestion und des Placeboeffekts ist nicht zu unterschätzen. „Aber ob man das überhaupt will, hängt von der Position des Beobachters ab.“ Für einen Großteil der Weltbevölkerung seien Wunder schließlich heute noch ganz real. Auch historisch gesehen sind rationale Erklärungsversuche irrelevant; sie lassen sich weder beweisen noch widerlegen.
Man kann ziemlich sicher sagen, dass die Wunder so nicht passiert sind.
Markus Öhler, Theologe
Anders sieht es bei den Naturwundern aus, also der Vermehrung von Nahrungsmitteln oder dem Gang auf dem Wasser. Gerade für Letzteren gibt es regelmäßig neue Theorien: Jesus sei auf einer Eisscholle spaziert, verkündete etwa 2006 ein US-Ozeanologe. Und als 2011 israelische Forscher im See Genezareth steinerne Strukturen fanden, die bis knapp unter die Wasseroberfläche reichen, vermuteten sie sogleich, dass Jesus auf ihnen gewandelt sein könnte. Doch bei diesen Wundern herrscht heute Einigkeit unter Experten. „Man kann ziemlich sicher sagen, dass die so nicht passiert sind“, so Öhler. Zu eindeutig ist die dahinterliegende Symbolik, die bei der Verwandlung von Wasser zu Wein etwa auch im antiken Dionysoskult verbreitet war. Die Botschaft lautete: Jesus bringt Leben in Fülle; wer an ihn glaubt, wird im Sturm nicht untergehen. „Das sind keine geschichtlichen Beschreibungen, sondern theologische Aussagen im historischen Gewand.“
5. War Jesus ein Rebell, Buddhist, Hippie oder gar Kommunist?
„Wo man für eine sozialistische Gestaltung der Gesellschaft plädiert, wird Jesus zum Vorläufer des Sozialismus“, schreibt der Jesusforscher Gerd Theißen, „wo man für Lebensfreude wirbt, wird Jesus zum galiläischen Lebenskünstler.“ Wo man Humanismus befürwortet, wird Jesus zum Herausforderer religiöser Institutionen. Sogar zum Buddhisten, der in seiner Jugend nach Indien gegangen sei, um die Lehre Siddharthas zu verinnerlichen, wurde Jesus schon gemacht.
Mit etwas Fantasie kann sich jeder Leser der Evangelien seinen eigenen Jesus zurechtzimmern: Wenn dessen Aussagen etwas gemeinsam haben, dann ihre Widersprüchlichkeit. Einmal weist er seine Jünger an, die andere Wange hinzuhalten, ein andermal verkündet er: „Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert.“ Erst sagt er: „Das Reich Gottes ist nahe“, dann wieder verkündet er den Jüngern, dieses Reich sei schon mitten unter ihnen. Das hat Menschen aller Epochen dazu verführt, in Jesus ein Spiegelbild ihrer eigenen Vorstellungen zu sehen, beeinflusst von Übersetzungsfehlern und Wunschdenken.
Die Widersprüchlichkeit seiner Aussagen hat Menschen aller Epochen dazu verführt, in Jesus ein Spiegelbild ihrer eigenen Vorstellungen zu sehen, beeinflusst von Übersetzungsfehlern und Wunschdenken.
Raffael Fritz, Autor Terra Mater
Doch was lehrte Jesus wirklich? In einer Sache schien er eindeutig zu sein: Das Reich Gottes war mehr als eine Allegorie. „Von denen, die hier stehen, werden einige den Tod nicht erleiden, bis sie gesehen haben, dass das Reich Gottes in seiner ganzen Macht gekommen ist“, lässt das Markusevangelium ihn sagen. Die Bewohner Palästinas wussten in etwa, was damit gemeint war, schließlich waren apokalyptische Vorstellungen damals weit verbreitet; schon die Propheten Elija, Elischa, Amos, Jesaja und Jeremia hatten Ähnliches verkündet. „Diese Männer schworen, Gott werde die Juden von der Knechtschaft erlösen und Israel von der Fremdherrschaft befreien“, schreibt der Religionswissenschaftler Reza Aslan. Bei diesem Prozess mit Waffengewaltnachzuhelfen, wie es etwa hundert Jahre später der Rebell und selbsternannte Messias Simon bar Kochba tat, erschien Jesus nicht nötig. Es war allein Gottes Sache, Gerechtigkeit, Liebe und Frieden über die (jüdische) Welt zu bringen.

6. Warum musste Jesus sterben?
Der jüdisch-hellenistische Geschichtsschreiber Flavius Josephus berichtet im ersten Jahrhundert von einem Vorfall in Jerusalem: Ein Mann namens Jesus, „ein ungebildeter Bauer“, sei durch die Stadt gezogen, um die Bewohner vor der kommenden Zerstörung des Tempels zu warnen. Die sadduzäischen Hohepriester ließen ihn festnehmen und führten ihn dem römischen Statthalter vor. Und selbst unter Peitschenhieben setzte er sein Wehklagen fort: „Wehe Jerusalem und dem Tempel! Wehe dem ganzen Volke! “So lange, bis der Statthalter vom Wahnsinn des Mannes überzeugt war und ihn laufen ließ.
Bei dem Mann handelte es sich um einen gewissen Jesus ben Ananias, der etwa 30 Jahre nach Jesus von Nazareth nur knapp dem Schicksal seines Namensvetters entging. Die Episode zeigt nicht nur, dass der Passionsbericht im Neuen Testament historisch plausibel ist, sondern auch, wie schnell Tempelkritik zum Tod führen konnte. Bis zu seiner Zerstörung durch die Römer im Jahre 70 war der Tempel nicht nurdas spirituelle, sondern auch das politische und wirtschaftliche Zentrum des Judentums. Wenn Jesus die Geldwechsler vertrieb, wäre das nicht nur Kritik am Mammon, sondern ein geradezu staatszersetzender Akt gewesen. Und wenn er bei Matthäus einen Leprakranken heilt und ihm sagt: „Geh, zeig dich dem Priester und bring das Opfer dar, das Mose angeordnet hat“, dann stellt er die Daseinsberechtigung der Priesterschaft infrage: Kranken, Aussätzigen und Besessenen war der Zutritt zum Allerheiligsten erst nach einem kostspieligen priesterlichen Reinigungsritual gestattet. Ein solches Verhalten konnte unmöglich akzeptiert werden – auch nicht von den Römern, die den Tempelkult tolerierten, aber finanzielle Abgaben und Opfer für den Kaiser verlangten. Das wusste Jesus wohl selbst, als er sich auf den Weg nach Jerusalem machte – sagt er doch in den Evangelien mehrmals seine Kreuzigung voraus. Für diese Vorhersage brauchte es keinen Propheten.

7. Wie erklärt sich Jesu Auferstehung?
Im Römischen Reich war die Kreuzigung nur für Nichtrömer und aufständische Sklaven vorgesehen. Sie galt als schlimmste Form der Bestrafung, darauf ausgerichtet, den Verurteilten besonders lange leiden zu lassen und ihn dabei möglichst zu erniedrigen. Wie in der Passionsgeschichte dargestellt, war es üblich, das Opfer erst auszupeitschen und zumindestens den Querbalken zur Hinrichtungsstätte tragen zu lassen. Dort angekommen, wurden seine Arme darangefesselt oder genagelt, und der Balken wurde mit einem Strick am oberen Ende eines Pfahls befestigt. Damit sie garantiert nicht entkamen, mussten Soldaten die Gekreuzigten streng bewachen, bis der Tod eintrat – was mehrere Tage dauern konnte. Um das Sterben zu beschleunigen, wurden den Verurteilten darum oft die Beine gebrochen. Auch bei Jesus erwägen die Soldaten laut Johannesevangelium nach sechs Stunden diese Maßnahme. Doch ein Lanzenstich in die Seite zeigt: Er ist schon tot. Also erlauben sie, ihn abzunehmen und zu bestatten.
Was dann geschah, begründete das Christentum. Doch was geschah überhaupt? In der jüdischen Tradition ist die Wiederauferstehung der Toten ein Zeichen für den Jüngsten Tag. Und als die Jünger Jesus erblickten, war das der endgültige Beweis, dass er der Messias war und alle seine Prophezeiungen stimmten. Dadurch wurde Jesus unsterblich – und seine Bewegung zerfiel nicht wie die der anderen religiösen Gestalten seiner Zeit. „Irgendetwas muss passiert sein“, sagt derTheologe Markus Öhler. Handelte es sich um ein massenpsychologisches Phänomen? Hatten die Jünger Visionen? Oder sahen sie wirklich den lebendigen Jesus aus Fleisch und Blut?




Erklärungsversuche gab es immer schon viele: Bereits im zweiten Jahrhundert waren Gnostiker der Ansicht, Jesus sei gar nicht getötet worden. Auch im Islam ist nicht Jesus am Kreuz gestorben, sondern ein von Gott gemachter Doppelgänger. Und Denker der Aufklärung wie Johann Wolfgang von Goethe waren überzeugt, Jesus habe nur einen Scheintod erlitten und sei nach drei Tagen wieder aufgewacht.
Eine ähnliche, aber medizinisch besser unterfütterte These hat jüngst der deutsche Historiker Johannes Fried vorgestellt: Jesus sei nicht am Kreuz gestorben, sondern habe nur eine CO2-Narkose erlitten, ausgelöst durch einen sogenannten hämorrhagischen Pleuraerguss, eine Ansammlung von Blut und Wundwasser zwischen Lunge und Rippen. „Der Speerstich hat die Funktion einer modernen Kanüle erfüllt und diese Flüssigkeit abgelassen“, sagt Fried. Im Johannesevangelium heißt es tatsächlich: „Und sogleich floss Blut und Wasser heraus.“ Nachdem die Flüssigkeit ausgetreten war, habe Jesus wieder atmen können, sei aber mehrere Stunden bewusstlos geblieben.

Fried stützt sich dabei auch auf eine neue Theorie zur Reihenfolge der Evangelien. Der Dresdner Theologe Matthias Klinghardt hat kürzlich das „marcionitische Evangelium“ des Marcion (85od.100–160n.Chr.) rekonstruiert, das möglicherweise als Vorbild für die anderen Evangelien diente. In ihm war vermutlich von keiner Himmelfahrt die Rede, sondern es hieß nur: „Er ging fort.“ Wohin er ging, sei aber unerheblich: Die Auferstehung wurde zum historischen und theologischen Fakt. „Der fortlebende Jesus wäre dann sogar ein Häretiker“, sagt Fried: jemand, der eine Irrlehre vertritt. Auch Fried selbst hat sich mit seiner These nicht nur Freunde gemacht: Warum etwas erklären wollen, das in seiner Unerklärlichkeit Menschen auf der ganzen Welt inspiriert hat? Was an diesem Pessachfest vor 2000 Jahren wirklich auf Golgatha geschah– wir werden es wohl nie genau wissen.
8. Warum begründete ausgerechnet dieser Prediger eine Weltreligion?
Heute ist das Christentum mit etwa zwei Milliarden Anhängern die größte Weltreligion. Kurz nach der Kreuzigung hätte das wohl niemand vermutet; schließlich war Jesus nicht der einzige charismatische Heiler seiner Zeit. „Und seine Jünger beriefen sich auf einen als politischer Verbrecher rechtskräftig Verurteilten, der die Todesstrafe der niedersten sozialen Schichten erlitten hatte. Das waren in der damaligen Zeit wenige empfehlenswerte Ausgangspositionen“, schrieb der Theologe und Kirchenhistoriker Friedhelm Winkelmann.




Die Jünger machten sich anfangs nicht einmal die Mühe, die Lehren ihres Erlösers aufzuschreiben – schließlich nahte das Jüngste Gericht, bei dem sich die Wahrheit ohnehin offenbaren würde. Doch gerade die Juden aus der hellenistischen Welt, zu der Jesus ein so zwiespältiges Verhältnis gehabt hatte, hielten an seiner Lehre fest und machten aus einer jüdischen Splittergruppe eine neue Religion: Menschen wie Paulus von Tarsus, die durch das Reich zogen und urchristliche Gemeinden gründeten – in Damaskus, in Antiochia und bald auch in Rom.
„Auf dem Markt der Religionen hat das Christentum ein gutes Angebot gemacht“, sagt Theologe Markus Öhler. Die frühen Christen waren wie eine große Familie, in der soziale Unterschiede aufgehoben waren. Und sie wussten, dass das Leben nach dem Tod weiterging: Das hatte Jesus mit der Auferstehung bewiesen. Anfang des 4.Jahrhunderts, als Kaiser Konstantin das Christentum zunehmend begünstigte, bekannten sich schon etwa 15 bis 20 Prozent zu dem neuen Glauben, der im Jahr 380 zur Staatsreligion erhoben wurde. Jesus hatte nun sein Reich – auch wenn es ein weltliches und nicht das Reich Gottes war.

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