Der Sturm, der Japan rettete

Der Taifun Halong ist seit ein paar Tagen Geschichte, doch der Himmel weint immer noch. Japans südlichste Hauptinsel Kyushu wird im August 2014 von Regenfällen und Stürmen mit einer Windgeschwindigkeit von bis zu 250 km/h aus südlicher Richtung heimgesucht.
Die Wolken sind niedrig und bedrohlich dicht und scheinen mit einem ferngesteuerten Ventil ausgestattet zu sein. In Abständen von etwa 30 Minuten lassen sie tonnenweise Wasser niedergehen. Die Straßen sind zu silbernen Flüssen geworden – nur Lebensmüde würden darauf fahren wollen.
Der August ist in dieser Gegend wettermäßig seit Menschengedenken eine Katastrophe. Und genau genommen ist so ein Wirbelsturm auch der Grund für unsere Anwesenheit auf der kleinen, der Westküste von Kyushu vorgelagerten Insel Takashima: Vor fast 750 Jahren, am 15. August 1281, versenkte der Taifun Kamikaze (übersetzt: göttlicher Wind) genau hier die Flotte des Kublai Khan. Der mongolische Herrscher war im Begriff , Japan zu erobern, um es dem bereits riesigen mongolischen Imperium einzuverleiben.
Es war einer der größten Schiffsverbände aller Zeiten – über 4.500 Boote mit 140.000 Mann. Am Ende waren 80 Prozent der Soldaten und Seeleute ertrunken. Nur etwa 200 Schiffe hatten den Sturm überstanden.

Kurios: Sieben Jahre zuvor hatte der mongolische Herrscher schon einmal einen Angriff auf Japan unternommen. Und auch 1274 war er von einem Taifun kalt erwischt worden. Die beiden Ereignisse prägen das japanische Selbstverständnis bis heute: Es festigte sich die Überzeugung, dass Japan unter dem Schutz der Götter stehe. Und wann immer eine fremde Macht versuchte, das Land zu erobern, käme eben ein Kamikaze, der den Eindringling vernichtete.
Fast 700 Jahre lang war die Geschichte jedoch nicht viel mehr als eine Legende, gestützt bloß durch Überlieferungen aus jener Zeit. Fundstücke, die belegt hätten, dass die Invasion so wie kolportiert stattgefunden hat, gab es nicht. Das stachelte die Neugier von Wissenschaftern an: Sollten in den Gewässern vor Takashima nicht auch die Überreste von Kublai Khans Flotte zu finden sein?

Die Suche begann
Der Erste, der sich mit dieser Frage beschäftigte, war der Archäologe Mozai Torao von der Universität in Tokio. Im Jahr 1974 brachte ihm ein Fischer aus Takashima ein seltsames Objekt, das sich in einem seiner Netze verfangen hatte. Es entpuppte sich als Siegel eines mongolischen Kommandanten; mit chinesischen Schriftzeichen und einer Inschrift in Phagspa – diese spezielle Schrift benutzte Kublai Khan, um sich mit den verschiedenen Völkern seines Reiches (Chinesen, Mongolen und Araber) verständigen zu können. Das Siegel lieferte aber noch eine wertvolle Information: Auf seiner Rückseite fand sich die Jahreszahl 1277.
Torao, der in Japan als der „Vater der Unterwasserarchäologie“ gilt, war also auf der richtigen Spur. Doch obwohl er in den folgenden Jahren eine ganze Menge aus dem Meer holte: Keines der Fundstücke ließ sich eindeutig als der versunkenen Flotte des Kublai Khan zugehörig identifizieren.
1994 übernahm Kenzo Hayashida, heute Professor für Unterwasserarchäologie an der Kaiyo-Universität in Tokio, das Erbe Toraos. Er hatte sehr viel mehr Glück als sein Vorgänger: In der Bucht von Kozaki, einer der größten von Takashima, barg er etwa einen gewaltigen, sieben Meter langen Anker aus dem Ozean. Experten analysierten das Holz und stellten fest, dass der Anker aus dem 13. Jahrhundert stammte und in China hergestellt worden war.
Stammte das Objekt von einer jener „Dschunken“ von Kublai Khan, die 1281 den Hafen von Quanzhou in Südchina verlassen hatten, um Japan anzugreifen? „Wir konnten es nicht mit Sicherheit behaupten“, sagt Hayashida, „es könnte genauso gut zu einem Handelsschiff gehört haben, das nicht Teil der Flotte war.“
Doch Hayashida blieb dran. Und die Funde der Folgejahre räumten dann jeden Zweifel aus: In einer Tiefe von 15 bis 20 Metern lagen, begraben unter meterhohem Schlamm, die Überreste zahlreicher hölzerner Schiffsrümpfe und interessanter Wurfwaffen, unter anderem auch eine Art kleiner Kanonenkugeln aus Keramik, bloß dass damals die Kanone noch gar nicht erfunden war.

Wir hoffen, eines Tages ein mongolisches Schiff komplett mit seiner Ladung zu finden. Dann würden wir rundherum einen archäologischen Unterwasserpark erschaffen, in dem mit dem Internet verbundene Kameras jedem auf der Welt einen Blick darauf ermöglichen.
Kenzo Hayashida, Professor für Unterwasserarchäologie an der Kaiyo-Universität in Tokio
„Es handelt sich um Teppo – explosive Bomben, die aus mit Schießpulver und Eisensplittern gefüllten Keramikkugeln bestehen“, erklärt der Archäologe Daniele Petrella. „Bomben, die den Teppo ähnelten, tauchten in Europa erst Mitte des 15. Jahrhunderts auf. Wegen dieser Entdeckung müssen jetzt Teile der Kriegswissenschaft neu geschrieben werden.“
Petrella ist Italiener und Chef einer Spezialistentruppe des Internationalen Forschungsinstituts für Archäologie und Ethnologie (IRIAE) in Neapel und der Soprintendenza del Mare der Region Sizilien, die seit 2009 offiziell Teil des archäologischen Projekts vor Takashima ist.
Das ist bemerkenswert: Japaner sind Menschen aus dem Westen gegenüber generell nicht sehr offen, und schon gar nicht, wenn es sich um ein Vorhaben von „nationalem Interesse“ handelt wie bei der gescheiterten Invasion des Kublai Khan. „Wir haben uns an die Italiener gewandt, weil sie eine Menge Erfahrung auf dem Gebiet der Denkmalpflege haben“, erläutert Projektleiter Hayashida. „Wir hoffen, eines Tages ein mongolisches Schiff komplett mit seiner Ladung zu finden. Dann würden wir rundherum einen archäologischen Unterwasserpark erschaffen, in dem mit dem Internet verbundene Kameras jedem auf der Welt einen Blick darauf ermöglichen.“
Auch dieser Plan hat einen Hintergrund: Im Jahr 2010 ist Japan der UNESCO-Konvention zum Schutz des Kulturerbes unter Wasser beigetreten. Diese Vereinbarung verbietet es unter anderem, gefundene Objekte an die Oberfläche zu bringen. Alle bisherigen Fundstücke werden hingegen im Museum von Takashima aufbewahrt.
Allerdings müssen auch sie unter Wasser bleiben: In der Haupthalle des Gebäudes befinden sich große Bassins, die mit Meerwasser und PEG, einer chemischen Verbindung zur Abtötung des zerstörerischen Schiffsbohrwurms (Teredo navalis), gefüllt sind – das sichert das Material auch nach mehr als sieben Jahrhunderten. Käme es je an die Luft, zerfiele es binnen weniger Stunden zu Staub.

Das Museum ist auch das Hauptquartier der Archäologen. Schon um 7.30 Uhr herrscht hier reger Betrieb. Kenzo Hayashida begibt sich mit Daniele Petrella schnellen Schrittes zum Briefing-Raum. Im Schlepptau haben die beiden die zwanzig Mitglieder der Mission 2014. Viele von ihnen sind Studenten, aber es gibt auch einige ältere Gelehrte sowie Freiwillige, die wegen ihrer Passion für die Sache hier sind: Die Operation berührt in Japan praktisch jeden, schließlich geht es um den kollektiven Stolz einer ganzen Nation.
Jedem von ihnen teilen Hayashida und Petrella einen genau definierten Teil des Ausgrabungsgebietes unter Wasser zu. Dann geht’s los: Eine Karawane von Autos, Lieferwagen und einem Lkw, der mit der Tauchausrüstung beladen ist, zieht zur Bucht von Tokonami. Experten haben den Weg des Taifuns vor 733 Jahren und die Route der mongolischen Flotte rekonstruiert – ihren Berechnungen zufolge könnte das Gebiet Überraschungen bergen.
Die Archäologen bilden kleine Teams aus je vier bis fünf Personen und begeben sich auf Boote, die sie zu den Zielbojen bringen. Dann tauchen sie ab und machen sich an die mühevolle Arbeit am Meeresgrund, die so lange dauert, wie Luft in der Flasche ist – etwa 40 Minuten. Anschließend kehren alle wieder ins Museum zurück, um das Briefing für den Nachmittagstauchgang abzuhalten.
Es wirkt alles sehr geschäftsmäßig, ruhig und routiniert. Nur bei einem Briefing am zweiten Tag bricht plötzlich Aufregung aus. Der japanische Forscher Ogawa Mitsuhiko, ein auffallend großer Mann, den sie gerne „Samurai“ nennen, weil er so still und nachdenklich ist und in sich ruht, tritt merklich aufgewühlt an die Tafel und kritzelt nervös Schriftzeichen darauf. Daniele Petrella, der inzwischen fließend Japanisch spricht, übersetzt seinen Wortschwall.
Seine Mannschaft, sagt Ogawa, habe Amphoren und Keramik gefunden, die typisch für das südliche China des 13. Jahrhunderts seien. „Es kann gut sein, dass wir ganz nahe bei einem Wrack der Flotte sind.“ Das ist noch kein Grund zum Feiern, aber es ist ein guter Anfang.



Takashima ist kein Ort, der einem automatisch in den Sinn käme, wenn man an Japan denkt: keine Hochhäuser, keine Neonreklamen, keine Autobahnen, nichts davon. Aus dem Japanischen übersetzt heißt Takashima „Falkeninsel“, weil es die Heimat vieler Raubvögel ist, die noch immer über den Baumwipfeln kreisen. Niemand erinnert sich daran, dass es hier je eine Straftat oder auch nur einen simplen Verkehrsunfall gegeben hätte. Die Insel ist so abgeschieden, dass die moderne Welt außerhalb davon stattfindet.
Hier wohnen einfache Menschen, vor allem Fischer und Reisbauern, ihr Lebensstil mutet mittelalterlich an. Die Häuser bestehen aus gepresstem Lehm und Bambusrohren, erbaut nach der traditionellen Tsuchikabe-Methode. „Das ist hier ein großer Vorteil“, sagt Myamoto Masanori, er war zwanzig Jahre lang Bürgermeister von Takashima. „Wenn ein Taifun die Häuser niederreißt, können sie leicht wieder aufgebaut werden.“
Takashima, meint Myamoto Masanori, habe schon bessere Zeiten gesehen. „Lange glaubten wir, es allein schaffen zu können“, sagt der heute 84Jährige bekümmert, „doch die jungen Leute sind alle nach Fukuoka und andere größere Städte abgewandert, und unsere Wirtschaft ist langsam in den Abgrund gerutscht.“ Heute zählt Takashima gerade noch 2.000 Einwohner – zu wenig für ein Mura, die kleinste japanische Verwaltungseinheit. Deshalb ist Takashima seit 2006 der Verwaltung der Stadt Matsuura zugeordnet.

Ich war erst der zweite Mensch aus dem Westen, den sie hier jemals gesehen hatten.
Daniele Petrella, italienischer Archäologe
Im gleichen Jahr kam auch Archäologe Daniele Petrella zum ersten Mal nach Takashima. Es war, als sei ein Außerirdischer gelandet. „Ich war erst der zweite Mensch aus dem Westen, den sie hier jemals gesehen hatten.“ Die Arbeit der Archäologen ist in den Augen des Altbürgermeisters Myamoto Masanori jedenfalls die einzige Chance, dass Takashima jemals wieder so etwas wie einen Aufschwung erleben könnte: „Das Scheitern der chinesisch-mongolischen Expedition war ein entscheidendes Ereignis für das Schicksal Asiens und der gesamten Welt. Es wäre doch wunderbar, in Takashima das größte japanische Zentrum für Unterwasserarchäologie zu errichten.“
Schon jetzt sorgen die Wissenschafter für die Auslastung der beiden größten Hotels der Insel – eigentlich sind es keine Hotels, sondern Ryokan, traditionelle japanische Gästehäuser. Selbst unter Touristen beginnt sich die Magie dieses historisch bedeutsamen Ortes herumzusprechen – vor allem seitdem Takashima 2009 eine Brücke zum Festland bekam und nun mit der Stadt Karatsu verbunden ist. Weil nun die mühsame Benutzung der Fähre entfällt, ist Takashima heute immer öfter Ziel von Pilgerfahrten aus ganz Japan.
Die Furcht der Fischer
Doch nicht alle sind glücklich über die Fortschritte der Archäologen: Die Fischer von Takashima etwa wünschten, der ganze Zirkus hätte hier erst gar nicht angefangen. Ihr Leben ist wegen der großen Schiffe der industriellen Fischerei, die vor der Küste kreuzen, ohnehin schon schwer genug. Und jetzt fürchten sie, dass die Insel nach und nach zu einem historischen Wallfahrtsort verkommt, an dem der Platz zum Fischen zu eng wird.
„Hier kann man keinen anderen Job als den des Fischers ausüben“, klagt Yoshizumi Hatsumi, ein alter Fischer. „Und es tut mir leid, dass meine Kinder nicht mehr von diesem Beruf leben können. Als ich jung war, gab es im Meer noch viel mehr Fische als heute. Aber wenn dann noch jemand entscheidet, dass die Suche nach irgendwelchen Wracks wichtiger ist als die Möglichkeit von Menschen, für ihr Essen zu sorgen, dann sind wir wirklich am Ende.“

Tatsächlich ist die Bucht von Kozaki der einzige Ort der Insel, der zum Schutzgebiet erklärt worden ist. Ein Gesetz verbietet es, dass Fischernetze in weniger als 200 Meter Entfernung von der Küste ausgeworfen werden. „Aber niemand hält sich daran“, sagt Archäologe Kenzo Hayashida, „zwischen ihnen und uns herrscht ein schleichender Kampf. Wir unternehmen zwar alles, um akzeptiert zu werden, doch die Interessen sind zu verschieden.“
Von einem höher gelegenen Standpunkt der Insel kann man die Veränderungen in der Fischerei mit freiem Auge erkennen: Einige Fischer haben ihre Boote verkauft und sind ins Thunfischgeschäft eingestiegen, was die vielen Farmen rund um die Insel belegen. Thunfisch gilt als das letzte große Business der Branche.
Einer, der trotz allem durchgehalten hat, ist Tominaga Hisashi: Mit seinem Kahn, lang und schmal wie ein Schwert, durchschneidet er das Wasser der Bucht. Als er am Pier von Aoura ankommt, lädt er übervolle Körbe mit Abalonen und Meeresschnecken aus. Unser Interesse zieht eine Einladung zum Abendessen nach sich – ins Haus seiner Eltern. Dort, meint er, sei es größer und behaglicher als bei ihm und seiner Frau daheim.
Zu Ehren seiner Gäste lässt Hisashis Vater Takehisa ein besonderes Gericht auftragen, das in der Regel am Neujahrstag gegessen wird: die Suppe Otsubo. Sie enthält außer Abalonen und Meeresschnecken noch mindestens zehn andere Sorten Fisch und Gemüse. Sie duftet hervorragend.
Takehisa erinnert sich noch genau daran, wie er vor 70 Jahren in einem unterirdischen Schutzraum Zuflucht suchte, weil die Amerikaner im Begriff waren, die Atombombe auf Nagasaki abzuwerfen, das nur siebzig Kilometer entfernt liegt. Dies war, erzählt Takehisa, sein bis heute einziger Kontakt mit dem Westen. Weil er weiß, dass wir der Archäologie wegen in Takashima sind, steht er auf und entnimmt einem alten Möbelstück behutsam zwei sehr alte Vasen. Er habe sie mit seinen Fischernetzen heraufgeholt, erzählt er. Eine von ihnen sieht tatsächlich chinesisch aus.
Die Lage der Fundstücke im Vergleich zur Küstenlinie lässt darauf schließen, dass die Schiffe heftig gegen die Felsen geschleudert wurden.
Daniele Petrella, Archäologe

„Vielleicht war sie auf der Flotte von Kublai Khan“, meint Takehisa, doch das fachkundige Urteil von Daniele Petrella holt ihn sofort wieder auf den Boden zurück: „Dieses Stück wurde mindestens hundert Jahre nach dem mongolischen Angriff angefertigt. Aber es ist sehr schön.“
Jedes Jahr am 30. August findet auf Takashima eine sehr emotionale Veranstaltung statt: Genk no matsuri, der Versöhnungstanz – er wird bis heute im Gedenken an die Gefallenen von 1281 aufgeführt. Sogar der Zen-Mönch Asaoka Shuyu nimmt daran teil – er lebt sonst abgeschieden in einem Tempel, der um einen uralten Baum herum errichtet wurde. Normalerweise lehnt der Mönch solche Menschenaufläufe ab, weil sie das Mushin bedrohen – den Zustand der absoluten Leere des Geistes, der erst die vollkommene Öffnung zur Welt erlaubt. „Aber einen Tag lang“, sagt er, „ist es wichtig, dass ich mich unter die Menschen mische und sie lehre, mit einem einzigen Herzen zu leben.“
Blick in die Vergangenheit
Langsam neigt sich die Mission der Archäologen für dieses Jahr dem Ende zu. Zeit, Bilanz zu ziehen: Man sei sehr erfolgreich gewesen, meint Daniele Petrella. Zwar sei das ersehnte Wrack nicht aufgetaucht, man habe aber sehr interessante Funde verbuchen können. Zum Beispiel 56 charakteristische Ziegel, die alle am gleichen Ort lagen. „Sie gehörten zum Ofen an Bord“, sagt Petrella. „Jede Dschunke besaß einen – die Mongolen benutzten ihn zum Kochen.“
In einem anderen Teil der Tokonami-Bucht haben Erkundungsteams Transportkeramik gefunden: Amphoren, Schüsseln und Schalen. Petrella nimmt an, dass sie aus mindestens zwei Wracks stammen. „Die Lage der Fundstücke im Vergleich zur Küstenlinie lässt darauf schließen, dass die Schiffe heftig gegen die Felsen geschleudert wurden“, meint der Forscher.
„Die Rümpfe wurden aufgerissen, und die Ladung quoll heraus. Die Schiffe wälzten sich sehr wahrscheinlich über den Boden der Bucht.“ Doch darüber, wo genau die Wracks liegen könnten, wird man sich erst nächstes Jahr den Kopf zerbrechen.

Die Rümpfe wurden aufgerissen, und die Ladung quoll heraus. Die Schiffe wälzten sich sehr wahrscheinlich über den Boden der Bucht.
Daniele Petrella, Archäologe
Der letzte Abend in Takashima hat einen ganz besonderen Charakter. Der Speisesaal des Ryokan ist außergewöhnlich hell erleuchtet, auf der langen Tafel thronen Teller mit Sushi, Sashimi und Tempura sowie zahlreiche Flaschen kaltes Bier. Sogar eine Karaoke-Bühne wurde aufgebaut – ein typisch japanisches Ritual, dem sich keiner der Anwesenden wird entziehen können.
Inzwischen tröpfeln lokale Politiker und Vertreter der Präfektur Nagasaki ein, um die Archäologen zu beglückwünschen. Sobald erstere gegangen sind, kann mit dem Abendessen begonnen werden, das – unvermeidlich – bis in die frühen Morgenstunden dauern wird.
Sehr bald wird das Mikrofon auf der Karaoke-Bühne zur Waffe in den Händen von etwas beschwipsten Forschern, die bis vor kurzem noch knochentrocken und jedem Vergnügen abgeneigt schienen. Die Klänge von Kimi ga Suki da to Sakebitai – der Hit einer japanischen Rockband aus den Neunzigern – vermischen sich gnadenlos mit jenen der neapolitanischen Volksweise O sole mio. Japaner und Italiener wissen ganz gut, dass die Jagd auf die versunkene Flotte von Kublai Khan noch lange dauern wird. Aber eine Nacht lang wollen sie nicht daran denken.
Diese Geschichte erschien erstmals im Terra Mater Magazin 1/2015.

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